Xperten 1.2 - Der Mindcaller
Wildnis und Bergen durch und durch Vertrauter fast völlig unter.
»Wann warst Du das letzte Mal auf einer größeren Tour, Mike?«, fragt Kevin.
»Schon seit Mai nicht mehr«, antwortet Mike seufzend.
»Bei mir ist es auch nicht anders. Das einzige, was ich in letzter Zeit gemacht habe war, eine Gruppe in die Hunuas 15 zu führen, aber da war nur eine einzige Übernachtung in der Wildnis dabei. Insofern fühle ich mich total außer Form«.
»Also das mit ‚außer Form‘ trifft sicher auf mich noch viel mehr zu«, sagen Aroha und Kalina gleichzeitig.
»Wie wäre es mit einem Ausflug in die Waitakeres?«, fragt Mike.
Sie diskutieren mehrere Möglichkeiten, bis schließlich Aroha meint: »Warum gehen wir nicht zu meiner Lieblingsstelle, ich habe sie ‚verborgenes Tal‘ genannt. Wir fangen oben in der Nähe eines alten Weideweges an, der direkt über dem Strand von Karekare liegt und wandern dann das Tal hinunter. Ich habe das alleine noch nie geschafft, denn es gibt auch schwierige Stellen, wo es sehr steil wird.«
Kalina mischt sich ein: »Das ist eine prima Idee. Ich kenne den oberen Teil, er beginnt bei einer wunderschönen Lichtung, wo ich mit Aroha schon öfter gewesen bin. Aber wir sind noch nie weit hinunter gegangen und eigentlich bin ich seit langem neugierig, wie das Tal weiter geht. Aroha nennt die Gegend, jedenfalls den oberen Teil, Aorama, die Welt des Lichtes, und ihr werdet sehen warum. Es ist wirklich ein schöner Platz.«
[16] »Studentenfutter«, in Neuseeland »scroggin« genannt, gehört dort noch immer zu einem Muss, was Essen auf Touren in der Wildnis anbelangt. Die auch in Europa lange Zeit sehr populäre Mischung aus Nüssen, Rosinen und Schokoladestückchen enthält pro Gewichtseinheit sehr viel Energie.
»Und er ist leicht erreichbar«, erklärt Aroha. »Die Lichtung, ist nur einige hundert Meter von der alten Karekare Cattle Road entfernt. Wir könnten dort mit Schlafsäcken übernachten, um uns die Anfahrt in der Früh zu ersparen und sind dann auch am zweiten Tag zeitlich nicht unter Druck.«
»Gut, dann sollten wir es als Wochenendausflug planen. Ich könnte meine Arbeit hier an einem Freitag etwas früher beenden, und es ist dann für uns alle vermutlich gleichgültig, ob wir am Samstag oder Sonntag zurückkommen«, meint Mike.
Am übernächsten Freitag sitzen sie in einem alten Kombi, der vor Gepäck übergeht. Neben Kevin, Aroha und Kalina ist natürlich Mike dabei, und hat seine Freundin Jeannie mitgenommen. Die beiden kennen sich aus den Vorlesungen über Quantenphysik, mit denen Jeannie keine große Freude hat und bei denen ihr Mike viel hilft, meist geht er mit ihr sogar in die Vorlesung.
Sie fahren zu fünft von Auckland Richtung Waitakeres, und dort die ersten Hügelketten hinauf. Kevin und Mike bestehen darauf, auch am ersten Tag schon ein Stück zu gehen, um sich »warm zu laufen«. Sie lassen ihren Wagen daher bei einer aufgelassenen Station der alten Waitakere Eisenbahnstrecke stehen, und packen ihre Ausrüstung. Neben Schlafsack, warmer Kleidung und Regenschutz genügend Essen und Kochgeräte. Es werden gewaltige Rucksäcke und sie machen sie sich gegenseitig über ihre zusammengestoppelte Ausrüstung lustig. Einer Schotterstraße, auf beiden Seiten von dichtem Busch wie eingeklemmt, folgen sie endlos viele Kilometer, wie es Aroha vorkommt. Sie ist froh, dass sie beim Packen ihres Rucksacks nur das Allernotwendigste mitgenommen hat.
Kevin führt. Er pfeift vor sich hin und ist sich offensichtlich der Richtung ganz sicher. Schließlich halten sie an einer Stelle, wo der dichte Wald einen Durchgang zu erlauben scheint. Inzwischen ist es spät und dunkel geworden. Alle essen eine Handvoll Studentenfutter 16 , schalten ihre Taschenlampen ein und brechen nach einer kurzen Pause auf. Sie gehen tief gebückt, nicht nur wegen der Last der Rucksäcke, sondern weil sie sich jetzt, ohne Strasse, in recht unwegsamen Busch unterwegs sind. Es ist kein Weg sichtbar, aber Kevin lässt keinen Zweifel, dass er weiß, wo sie sind und hin müssen. Aroha kommt es vor wie Stunden, die sie sich durch den Wald kämpfen. Doch auf einmal stehen sie auf der Karekare Cattle Road, die Aroha so gut kennt, und wo sie nur noch den kleinen Pfad, den Aroha und Kalina durch ihre zahlreichen Besuche hier schon ausgetreten haben, einige hundert Meter bis zu der Lichtung folgen müssen.
Müde wie sie sind halten sie sich nicht mehr lange auf und kriechen in die Schlafsäcke. Die Wanderung ist
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