Xperten 1.2 - Der Mindcaller
von wo es nur wenige Minuten bis zur Lichtung Aorama sind. Natürlich verbringen sie die halbe Nacht damit, Ian und sich selbst zu überzeugen, dass sie vor einer Woche hier und im verlorenen Tal wirklich Ungewöhnliches erlebten.
Trotz der verschiedenen Schattierungen von Unglauben sind doch alle so neugierig, dass sie mit dem ersten Licht aufstehen. Nach einem kurzen, schweigsamen Frühstück packen sie das Nötigste zusammen, lassen Schlafsäcke, Kochgeschirr usw. auf der Lichtung zurück und steigen in das Tal hinunter. Sie kommen rasch voran, erreichen die ‚Kathedrale‘, die auch auf Ian ihre Wirkung nicht verfehlt.
»Gut, wo gehen wir heute weiter?«, fragt Mike schließlich Aroha. »Wieder talabwärts durch die jungen Kauribäume hindurch, oder was meinst du?«
Aroha dreht sich mehrmals schweigend um, während sie die anderen abwartend ansehen, Ian mit einem ungläubigen Lächeln. Sie weiß: Ich muss die Richtung vorgeben, und ich kann das nicht, wenn mir das Kapakapa nicht hilft.
Mutter Erde schweigt, Aroha hört nur das Rauschen des Windes, aber keine Botschaft.
Auf einmal sieht sie, in Richtung Norden, wie sich zwei Nikau- Palmen stärker bewegen als es der Wind rechtfertigt, so als würden sie ihr zuwinken. Aroha zögert nur einen Augenblick. Dann geht sie zwischen den Nikau- Palmen hindurch. Kevin, Ian, Jeannie und Mike folgen ihr.
Wie am letzten Wochenende ändert sich plötzlich das Licht etwas, und dort, wo ein kleiner Bach fließt, wird es auffällig hell.
»Was ist das nur«, stößt Kevin hervor, »das ist nicht derselbe Bach, den wir letztes Wochenende verfolgt haben. Zwei Bäche, die unabhängig von einander durch dieses enge Tal fließen?«
»Eines ist sicher. Hier sind keine Fußspuren von uns und die wären deutlich zu sehen«, kommentiert Mike.
»Und dann ist da noch etwas, die Pflanzen schauen hier anders aus, irgendwie gedrungener und kleinwüchsiger«, bemerkt Jeannie.
Es ist eine sehr nachdenkliche Gruppe, die dem ‚neuen‘ Bach abwärts folgt. Sie gehen etwa eine Stunde. Da bleibt plötzlich Mike, der führt, so abrupt stehen, dass Aroha fast in ihn hineinläuft.
Der Bach verschwindet direkt vor ihnen in einem Schacht, der fast senkrecht in den Felsen hinunterführt.
»Ich kann‘s einfach nicht glauben!«, ruft Ian.
Mike dreht sich zu Aroha um und sieht sie sprachlos an. Jeannies erste Gedanken sind ganz ungeordnet und verwirrt: ‚Wie werde ich den anderen erklären können, dass ich einige extra Taschenlampen mitgenommen habe?‘... denn so richtig erwartet hatte niemand, eine Höhle zu entdecken!
»Ich glaube wir sollten jetzt zuerst einmal eine kleine Pause machen und etwas essen«, meint Aroha.
So sitzen sie, kauen schweigend und nachdenklich. Jeannie ist die erste, die sagt, was einige denken: »Und wie werden wir da hineinkommen?«
»Ihr wollt wirklich hineingehen, hinuntersteigen?«, fragt Aroha.
»Natürlich«, antwortet Ian, »wenn es nicht die Chance gegeben hätte eine neue Höhle zu entdecken wäre ich kaum mitgekommen.«
Ian öffnet seinen Rucksack und nimmt eine Anzahl Karbidlampen heraus: »Kein guter Höhlenforscher ist je ohne solche unterwegs«, erklärt er, als er die erstaunten Blicke sieht.
Ohne Kommentar nimmt Kevin ein Seil aus seinem Rucksack, gibt ein Ende Ian und das andere Mike. Er befestigt das Seil um seine Mitte, nicht weit von Mike entfernt.
»Ich steige als erster ein«, sagt Ian, »und schaut bitte genau zu, was und wie ich es mache.«
Er befestigt eine Karbidlampe mit einem Stirnband am Kopf und setzt sich einen Helm auf. »Wie haben nicht genug Helme. Jeder der keinen hat, eine dicke Wollmütze aufsetzen und besonders Acht geben. Man verletzt sich an niedrigen Stellen sehr leicht am Kopf.«
Nun steigt er vorsichtig in die enge, am oberen Ende fast vertikal verlaufende Höhle, mit stark gespreizten Beinen sich an gegenüberliegenden Wänden abstützend, den kleinen Bach vor seinem Körper. Zentimeter um Zentimeter steigt er so vorsichtig hinunter, während Mike ihn sichert und Kevin Mike. Nach einigen Metern erreicht Ian einigermaßen waagrecht verlaufenden Boden. Jetzt steigt Aroha ähnlich hinunter.
Als Jeannie an der Reihe ist zögert sie. »Was ist, wenn ich ausrutsche und mit meinem Gewicht Mike und Kevin herunterreiße?«, fragt sie zögernd.
Ian lacht. »Nun, das wäre kein großes Problem. Du würdest gründlich nass werden, weil du im Bach landen würdest, aber das werden wir früher oder später sowieso alle
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