Xperten 1.2 - Der Mindcaller
dem Tropfen aus unzähligen Ritzen in der Decke der Grotte als sie langsam weiter gehen. Aroha ist die letzte in der Gruppe. Sie fühlt noch einmal, wie Mutter Erde ihr durch das Kapakapa sagt, sie möge das, was sie hier sieht, als ein zeitloses Geschenk an alle Menschen sehen. Und als sich Aroha das letzte Mal umdreht, erscheinen ihr die Glühwürmchen zuerst wie Sterne am Himmel, dann wie Kometen und schließlich wie Meteoriten, die in einer Lichterpracht explodieren wie bei einem Feuerwerk. Sie kann es kaum glauben, dass die Freunde das nicht merken. Sie wird es ihnen weder glaubhaft machen noch beschreiben können.
Zum wiederholten Mal wird es Aroha klar, wie beschränkt die Sprache ist, wie viel wir erleben können und wie wenig wir davon weitergeben können, wenn die andere Person noch nichts Ähnliches erlebt hat. Dazu bedarf es nicht so ausgefallener Phänomene wie Glühwürmchen. Natürlich gibt es die immer wieder zitierten Bespiele dafür, dass man Blinden wohl kaum die Farbe »Rot«, Tauben nicht die Schönheit einer Fuge von Bach erläutern kann. Aber es geht ja viel weiter. Kann man wirklich einem Amazonas Indianer beschreiben, was eine mehrtägige Schitour bedeutet? Einem Neuseeländer, was das Leben in einer Oase in der Sahara mit sich bringt? Ja noch viel einfachere und subtilere Beispiele belegen, wie unzureichend die Sprache ist. Wie kann man das erhebende Gefühl eines gelungenen Jonglieraktes erklären, den Geschmack von Zimt oder von Gurkensalat, den Geruch von brennendem Holz ...
Die normale Sprache, oder gar eine Kodifizierung wie die Schrift, reichen in keiner Weise aus, auch nur ganz einfache Erlebnisse zu erläutern, wenn den anderen Menschen diese Erfahrungen fehlen. Wie soll ihr das dann bei den Erfahrungen mit dem Kapakapa gelingen, die jenseits aller ihr bekannten Gefühlsempfindungen liegen?
Aroha ruft in der Stadt Kalina an, um ihr alles zu erzählen und kann es nicht erwarten, Kalina wenigstens den Eingang zur Höhle zu zeigen. Kalina reagiert etwas zurückhaltend.
Anders ist es bei Ian, Ken und Mike. Mitten in der Woche lassen sie ihre Studien einfach liegen und stehen und fahren nochmals zum verborgenen Tal. Sie sind enttäuscht, dass sie nichts Besonderes finden. Auch Aroha ist überrascht. Allen ist noch nicht bewusst, oder sie wollen dies nicht zur Kenntnis nehmen, dass ohne Aroha mit dem Kapakapa nichts Besonderes erwartet werden kann!
Für Aroha ist es nicht leicht, über ihre Gefühle und Erfahrungen mit den anderen zu reden. Kaum spricht sie davon, merkt sie, dass die anderen ihre Berichte zum Teil als lebhafte Fantasien abtun. Auch Kalina ist keine Ausnahme. Nur mit Jeannie kann sie wirklich offen reden.
»Aroha, erzähl mir doch einmal genauer, was du in der Höhle erlebt hast. Ich erinnere mich, dass du einmal zusammengezuckt bist und dann nur gesagt hast, du hast einen schlechten Tagtraum gehabt. Aber ich bin sehr sicher, dass es mehr war.«
»Ja, du hast natürlich recht. Es war kein Traum. Es waren wieder Bilder, die mir das Kapakapa zeigte«, beginnt Aroha, »zuerst war auf einmal die Höhle wie in Blut getaucht...«.
Da unterbricht Jeannie: »Das ist ja irrsinnig. Ich habe das auch einen Moment erlebt, war kurz erschrocken, habe es aber einfach als Sinnestäuschung abgetan ...; also kann es sein, dass dein Kapakapa manchmal auf Personen, die dir nahe stehen, ausstrahlt?«
Aroha nickt nachdenklich. »Ich bin nicht sicher, aber ich habe mir das auch schon überlegt. Erinnere dich an unseren ersten Ausflug ins verlorene Tal: Nicht nur ich sah gewisse Änderungen in den Farben, in der Art der Landschaft, sondern auch ihr... mit Ausnahme von Kalina die diesen Phänomenen sehr skeptisch gegenüber steht. Ich denke es ist so, dass das, was ich durch das Kapakapa erlebe in einer geschwächten Form an manche Menschen weitergegeben wird.«
[20] Nach den Legenden der Maori war Maui, der Sonnengott, am Meer als er einen riesigen Fisch an seiner Angel hatte. Er zog diesen riesigen Fisch an die Oberfläche: Es waren die Inseln Neuseeland.
»Aber hast du sonst noch etwas in der Höhle gesehen?«, lässt Jeannie nicht locker.
»Es war unglaublich. Ich habe Szene nach Szene aus den Maori Mythen gesehen und ich bin sicher, dass ich von einigen nie vorher gehört habe ... und auf einmal erlebte ich sie mit einer unglaublichen Intensität: vor allem eine Mischung von Schöpfungsgeschichten über Erde und Himmel. Ich erlebte die riesigen Muskeln Tanemahutas, des Gottes des
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