Xperten 1.2 - Der Mindcaller
Kaffee in der Universität zusammen und unterhalten sich leise.
»Was hast du gestern gemeint, als du von Stimmen erzähltest, die du in der Nähe des Wasserfalls gehört hast?«, fragt Jeannie.
»Nicht in der Nähe des Wasserfalls. Die Stimmen kamen aus dem Wasserfall. Nicht in Worten, die ich verstehen konnte, aber doch deutlich Worte oder zusammengesetzte Silben.«
»Wenn das stimmt, wie erklärst du dir dann, dass wir anderen nichts hören konnten außer dem Rauschen des Wasserfalls?«, fragt Kevin.
»Vielleicht muss ich euch in ein Geheimnis einweihen, von dem ich bisher niemandem erzählt habe«, antwortet Aroha nach einer nachdenklichen Pause.
»Du machst uns neugierig. Wir versprechen dir hoch und heilig es nicht weiter zu erzählen. Worum geht es denn?
»Bei meinem ersten Besuch des verborgenen Tals fand ich dieses hier«. Langsam zieht Aroha das Kapakapa über ihren Kopf aus der Bluse und gibt es Jeannie.
»Das ist schön!«, ruft diese aus, »Wo hast du das gefunden?«
»Ganz in der Nähe der ‚Kathedrale‘, als ich mich das erste Mal genauer umsah.«
»Aber wieso hat das etwas damit zu tun, was beim Wasserfall geschah?«
Aroha sagt langsam: »Also das ist so. Seit dem Tag, als ich diese Schnitzerei - ich nenne sie Kapakapa - fand, habe ich viele unerklärliche Dinge erlebt. Als ich z. B. das Kapakapa das erste Mal in der ‚Kathedrale‘ in der Hand hielt, erschienen mir auf einmal Gesichter, Geschichten und Worte aus meiner Kindheit, die ich seit meiner Kindergartenzeit vollständig vergessen hatte.«
Aroha macht eine Pause, weil es ihr schwer fällt zu erklären, was das Kapakapa auslöst.
»Das heißt, du glaubst das Kapakapa hat so was wie ein latentes visuelles Gedächtnis?«, versucht Jeannie mehr zu verstehen.
»Nein, es ist mehr, es sind auch andere Sinnesorgane involviert. Und dann scheint das Kapakapa manchmal eine Verbindung zwischen mir und der Natur, aber auch unbelebten Dingen oder verstorbenen Personen herzustellen. Das Problem ist, ich verstehe selber ja nicht, was da eigentlich vor sich geht.«
Aroha streckt die Hand aus und nimmt das Kapakapa von Jeannie zurück, die die Schnitzerei sorgfältig angesehen und befühlt hat.
»Ich nenne es ‚mein Kapakapa‘«, versucht Aroha weiter zu erklären. »Letztes Wochenende als ich es hielt, ‚hörte‘ ich die Stimme des Windes, der durch die Bäume strich und der mich rief, mit euch in das verborgene Tal hinunter zu steigen.«
Sie sieht die beiden fest an und spricht dann stockend weiter: »Und jetzt gerade fühle ich Mutter Erde, die mich ruft und die mir sagt, ich soll wieder ins verborgene Tal kommen und sie dort in einer tiefen Höhle, zu der sie mich führen wird, besuchen.«
»Ich weiß wirklich nicht, was das bedeutet und was wir jetzt unternehmen sollen«, sagt Kevin, »tatsächlich kommt mir vor, dass die Situation jetzt noch komplizierter geworden ist als sie es schon war und das Kapakapa die Erlebnisse nicht erklärt. Wir haben jetzt drei Geheimnisse zu lösen. Woher kommt das Kapakapa, was kann es und wie weit kann es dich oder auch andere beeinflussen. Eines weiß ich aber mit Sicherheit. Ich möchte unbedingt in das verborgene Tal zurück, um es möglichst genau zu erforschen.«
»Das würde ich auch gerne«, sagt Aroha.
»Soll ich dann schauen, ob die anderen am nächsten Wochenende frei haben und sie mitkommen wollen?«
»Das wäre nett.«
Am Abend erzählt Jeannie ihrem Freund Mike von den Erlebnissen Arohas, ohne aber das Kapakapa zu erwähnen. Mike ist mehr als skeptisch. Aber schlussendlich meint er: »Wenn du so stark an das glaubst, dann werde ich das auch tun. Ich werde Ian vom Höhlenforscherverein fragen, ob er nicht mitkommen will. Es gibt wohl kaum eine Höhle im Umkreis von hundert Kilometer die Ian nicht kennt. Und wenn wir wirklich in eine Höhle müssen, wäre es gut, einen Experten dabei zu haben.«
»Danke dir. Danke für alles. Ich weiß nicht, warum ich Aroha diese ungewöhnliche Geschichte so implizit glaube, aber ich tue es.« Und nur damit sie besonders sicher sind, beschließt Jeannie, ein paar extra Taschenlampen in ihren Rucksack einzupacken.
Am nächsten Freitag hat Kalina eine Komposition fertig zu schreiben und kann nicht mitkommen. Dadurch sind sie wieder zu fünft, weil diesmal Ian, der Höhlenforscher, mitkommt.
Dieses Mal geht es nicht um eine Wanderung um fit zu werden, sondern um eine sorgfältige Erkundung einer Höhle. Sie fahren daher bis zur Karekare Cattle Road,
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