Xperten 1.2 - Der Mindcaller
Eindringlinge sondern als alte Freunde, die ihr etwas zurufen wollen, das sie noch nicht verstehen kann.
‚Was ist mit mir geschehen?‘ ‚Ist es dieser Ort, diese ‚Kathedrale‘, oder ist es diese Schnitzerei die ich gefunden habe?‘
Schließlich macht sie sich doch auf den Rückweg. Zerkratzt und verschmutzt aber erfüllt von einer neuen Lebendigkeit erreicht sie den Ausgangspunkt. Nach der stummen Dunkelheit des alten Waldes funkelt es hier im Sonnenschein. Auf der ersten großen Lichtung hört sie Grillen und sieht Bienen zwischen den wilden Frühlingsblumen: blauen Enzian, gelben Löwenzahn, Gänseblümchen, großen, rot blühenden Klee. Gräser und Flachs biegen und tanzen im Wind, erzeugen ein sich immer wieder verschiebendes Muster, das an die sich ständig ändernden Wolken am Himmel erinnert. Tuis 6 und Graue Grasmücken 7 singen ihre Lieder, das Echo der am Strand sich brechenden Wellen dringt herauf, ein tiefes, ungleichmäßiges Rauschen, wie das Atmen eines Riesen. Über dem Meer und über ihr kreisen Möwen und Schwalben ohne Ende. All das war hier vorher auch gewesen, aber es stürmt jetzt auf sie ein, als hätte sie vorher halb geschlafen, und als wäre sie erst jetzt wirklich erwacht und lebendig. Sie setze sich so, dass sie sich mit ihrem Rücken gegen einen großen Pohutukawa 8 Baum lehnen kann, zerpflückt eine Flachspflanze in Einzelfäden, aus denen sie eine Schnur flicht. Diese befestigt sie vorsichtig an die Schnitzerei und kann nun den »Fischhaken« als Anhänger um den Hals tragen.
Als sie kurz die Augen schließt, raunt eine Stimme ihr zu: ‚Ja, trage nur dieses Kapakapa‘, und Aroha weiß, dass dies das Maori Wort für Halskette oder Anhänger ist. Plötzlich »sieht« sie blau-grüne Augen. Augen, die glänzen und strahlen, wie auf einer neuen Schnitzerei . Aber dann ändert sich das Bild und sie »sieht«:
Den kleinen Bach der am Fuße eines großen Baumes vorbei in eine verzauberte Wildnis führt, wo sich Clematis und andere Schlingpflanzen bis zu den Gipfeln der Bäume hochwinden, wodurch natürliche, wasserdichte Höhlen entstanden sind. Treffplätze für sie als Kinder ...
Ja, das war, wo sie mit anderen Kindern in der Jugend spielte, oft mit verteilten Rollen als verschiedene Maori Stämme, die gegenseitige Überfälle planten!
Beim Geschichtenerzählen im Dorf hatte Zauberei immer eine große Rolle gespielt. Vielleicht kommt es dadurch für Aroha nicht völlig überraschend, als sie plötzlich Silberne Feen die am Mond tanzen als nächstes Bild »sieht«. Und dann »sieht« sie sich plötzlich selbst als kleines Mädchen, mit braunen, gelockten Haaren und grünen Augen, um Mitternacht noch unterwegs:
[6] Typischer neuseeländischer Vogel: schwarzes Federkleid, weiße Federn im Halsbereich, sehr spezifischer Gesang.
[7] Der neuseeländische »Grey Warbler«
[8] Dieser zu Weihnachten wunderschöne rot- blühende Baum ist das Weihnachtsgeschenk der Natur an die Neuseeländer
Beim alten Karaka Baum vorbei, durch das kleine Tor
vorbei an der roten Schnitzerei eines Kriegers, so schnell es geht
auf Zehenspitzen
klopfendes Herz
am alten Haus vorbei
über den Zaun
in den Schatten der Farnbäume
beim Fluss - wo die Alten leben 9 !
Aroha muss sich von den Bildern losreißen. Sie zwingt sich, ihre Augen zu öffnen ... und ist zurück in der Realität.
Solche Kindheitserinnerungen- wieso wird sie jetzt mit ihnen konfrontiert? Sie weiß, man hat ihr immer wieder erzählt, dass sie über eine übertriebene Phantasie verfügt. Aber, und das macht sie mehr als ein bisschen besorgt, selbst als Kind hat sie mit ihrem »inneren Auge« nie und nimmer Geschehnisse mit der Deutlichkeit gesehen, mit der das jetzt geschehen war, deutlich, klar und doch in einer einzigartigen, unerklärbaren Weise. Was sie gerade erlebt hat, ist nicht vergleichbar mit der Beobachtung eines Filmes. Vieles, was sie ‚sah‘, waren nicht ‚vollständige‘ Bilder oder Szenen. Aroha weiß nicht, wie man das Erlebnis am besten beschreiben kann. Am ehesten noch mit Phrasen wie: ‚etwas, das ganz verschieden ist vom Sehen und vom Hören. Etwas, das über normales Denken und Empfinden weit hinausgeht.‘
Zurück in der Stadt muss Aroha immer wieder an die neuen Erlebnisse denken. Sie will mehr über ihren Anhänger in Erfahrung bringen und sucht stundenlang im Internet. Aber das einzige was sie findet ist ein Wörterbucheintrag der bestätigt, was sie ohnehin weiß, dass das Maori Wort
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