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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
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Zeit eine vernünftige Prognose machen?
    Diese Frage stellt sich fast zwangsweise, wenn man den Titel dieses Beitrags liest. Kann jemand so naiv sein, dass er sich an ein so unmögliches Unterfangen wagt?
    Nun, ich bin nicht so einfältig zu glauben, dass man hundert Jahre in die Zukunft sehen kann. Tatsächlich halte ich es mit Jacques Hebenstreit, der meint: »Jede Vorhersage in der Informatik über mehr als 20 Jahre kann nur als Science-Fiction eingestuft werden.« Und wer sehen will, was alles schief gehen kann, der soll den Beitrag 11.3: »Sechzig Prognosen und Thesen … nicht nur zum Schmunzeln« lesen!
    Warum schreibe ich dann diesen Beitrag trotzdem? Weil ich von einem bisher noch nie explizit ausgesprochenen Phänomen überzeugt bin, das tatsächlich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in hundert Jahren in voller Entfaltung sichtbar sein wird. Es wird das Leben aller Menschen und alle Regelsysteme der Gesellschaft und der Wirtschaft völlig verändern. Bevor ich erkläre, was ich meine, muss ich im nächsten Abschnitt aber erst die Basis dafür schaffen.

    Die arbeitsteilige Gesellschaft
    Wir Menschen sehen uns gerne als Individualisten, die ihre eigenen Ziele und Ideen verfolgen und die also auch eine gewisse Unabhängigkeit von anderen Menschen haben und schätzen. Dieser Traum der persönlichen Eigenständigkeit ist schön, aber entspricht in keiner Weise mehr der Welt, in der wir heute leben.
    Geht man weit zurück, so war das einmal anders. Die Urmenschen lebten in kleinen Gruppen. Sie waren damals von anderen Gruppen, ja selbst von den Mitgliedern des eigenen Stammes weitgehend unabhängig. Wurde damals ein erwachsener Mensch aus einer Gruppe verstoßen, so konnte er ohne großen Verlust an physischer Lebensqualität weiterleben. Er konnte für sich selbst jagen, sammeln, sich gegen Kälte schützen usw.
    Im Laufe der Menschheitsentwicklung wurden die Wechselwirkungen zwischen den Menschen immer stärker. Der Handel, zuerst lokal, später weltweit, schaffte höhere Lebensqualität, aber auch mehr Abhängigkeit, mehr Spezialisierung. Die Verstädterung, später die Industrialisierung und schließlich die Globalisierung führten zu der Situation, die wir heute haben und die uns oft nicht klar genug bewusst ist. Was in der Industrialisierung als Taylorismus, als Arbeitsspezialisierung berühmt bzw. berüchtigt wurde, das erleben wir heute überall.
    Die Menschheit ist in einem unvorstellbaren Maß arbeitsteilig geworden, wie ich mit drei Beispielen erläutere:
    Während ich dies schreibe, sitze ich in einem Haus mit vielen Einrichtungsgegenständen, die ein Heer von speziell ausgebildeten Menschen für mich geschaffen hat. Es geht ja nicht nur um die Baufirmen, die Elektriker, die Installateure, die Möbelfirmen usw., deren Leistungen unmittelbar sichtbar sind, sondern um deren unzählige Zulieferanten und Subauftragnehmer, die selbst wieder solche haben und die alle wieder von Infrastruktureinrichtungen abhängig sind (Strom, Straßen, Wasser …).
    Ich trage Kleidung, bei deren Herstellung eine Unzahl von Spezialisten beteiligt war. Allein am Plastikarmband meiner Uhr haben indirekt sicher Hunderte (!) Branchen mitgewirkt: jene, die die Maschinen zur Erdölgewinnung bauten, das Personal in der technisch-chemischen Industrie, das daraus einen Plastikrohstoff erzeugte, die industriellen Schneidereien, die das Band fertigten, die Vertriebswege, die ohne Transportsysteme oder Buchhaltung nicht funktionieren könnten usw. Wobei hinter so einfachen Worten wie »Transportsystem« ja wieder unzählige andere Branchen stehen.
    Ich trinke eine Tasse Kaffee, ohne explizit zu realisieren, wie viele Menschen daran beteiligt waren, sowohl an der Produktion der Tasse als auch an der Produktion dieser braunen heißen Flüssigkeit, die aus gerösteten Bohnen gemacht wird, die aus einem anderen Teil der Welt kommen …
    Wenn einer von uns heute verstoßen wird und auf sich selbst gestellt in der Wildnis (wo es die gerade noch gibt) überleben will, schafft er dies im Normalfall nicht mehr. Wenn es gelingt, dann nur mit einem dramatisch niedrigerem Komfort (Siehe dazu »XPERTEN: Das Paranetz«). Unsere Gesellschaft ist so arbeitsteilig geworden, so verzahnt, die Menschen sind so voneinander abhängig, dass wir uns nicht mehr als Einzellebewesen sehen können, sondern schon viel eher analog zu Ameisen in einem Ameisenhaufen.
    Anders formuliert: Es gibt das Lebewesen Mensch nicht mehr, sondern das Lebewesen Menschheit.

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