Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
vermittelbar wurde. Der Buchdruck, im 20. Jahrhundert dann Bild-, Ton- und Filmmedien und schließlich die »neuen Medien« und Computernetze, allen voran das WWW, trugen dazu bei, dass das wachsende Wissen der Menschheit an immer mehr Orten, aufgeteilt in Milliarden von Bruchstücken, zu finden ist. Jeder einzelne Mensch verfügt dabei nur über einen winzigen Bruchteil des Gesamtwissens. Zusätzlicher Wissenserwerb war und ist nicht einfach.
Interessant dabei ist aber, und das ist das Entscheidende, dass nicht nur die Zahl der verschiedenartigst und verstreut aufgezeichneten Wissensbruchstücke im Laufe der Zeit immer mehr wuchs, sondern dass der Zugang zum Wissen allmählich leichter wurde. Unterrichtseinrichtungen wie Schulen und Universitäten trugen dazu bei, Lesen (durch die allgemeine Schulpflicht seit zirka 1800 in Europa weit verbreitet) spielte eine große Rolle, aber auch der Zugang zu Büchern wurde einfacher. Musste man vor 400 Jahren vielleicht noch Hunderte Kilometer in eine große Klosterbibliothek reiten, mussten sich Leibnitz und Newton noch Wochen gedulden, um einen Brief vom anderen zu erhalten, entstanden im 20. Jahrhundert zunehmend öffentliche Bibliotheken, ja sind Bücher heute vergleichsweise so billig, dass viele oft gekauft, aber nicht gelesen werden. Es ist eine Kuriosität unserer Zeit, dass heute mehr Bücher gekauft werden als je zuvor (auch pro Kopf der Bevölkerung), aber deutlich weniger gelesen wird als noch vor 40 Jahren!
Medien wie Radio, Fernsehen und seit nicht einmal 20 Jahren das Internet machen den Zugang zu Information (Wissen?) immer einfacher. Die Möglichkeiten, über moderne Kommunikationsmethoden von E-Mail zu Diskussionsforen oder Online-Expertenberatung wichtige Wissensbruchstücke zu erhalten oder durch E-Learning sich größere Wissensbereiche selbst anzueignen, wachsen ständig. Wie würden heute Newton und Leibnitz zusammenarbeiten?
Was wir bisher gesehen haben, ist noch nicht einmal die Spitze des Eisberges. Lange vor dem Jahr 2100 werden alle Menschen jederzeit und an jedem Ort auf alles Wissen der Menschheit zugreifen können, ähnlich wie wir das heute bei materiellen Gütern können. Dieser Zugriff wird mit Geräten erfolgen, die eng mit den Menschen verbunden sind, und wird sich auf Wissen beziehen, das entweder aus Datenbanken kommt oder aus Dialogen mit Experten entsteht. Das Gehirn des Einzelmenschen wird nur noch ein vergleichsweise winziger Bestandteil eines gewaltigen Wissensvorrates sein, der durch die Vernetzung aus Milliarden von Menschenhirnen und Datenbanken entsteht. So wie wir heute ohne zu überlegen in ein Flugzeug einsteigen, um etwas Neues zu sehen, werden die Menschen dann in ein »Wissensflugzeug« einsteigen, das ihnen neue Erkenntnisse und Erlebnisse liefert. Lernen, etwa gar Faktenlernen, wird etwas sein, das so veraltet ist wie für uns Pferdefuhrwerke, die noch vor hundert Jahren das Hauptverkehrsmittel waren. So wie wir heute Maschinen und Werkzeuge verwenden, um Häuser oder Computer zu bauen, einen Staudamm zu errichten oder Holz zu bearbeiten, werden die Menschen in hundert Jahren Werkzeuge und Maschinen haben, mit denen aus Wissensgrundbausteinen neue Wissengebilde erzeugt werden können. Nicht alle Menschen werden diese Möglichkeiten ausschöpfen, genauso wie auch heute nur ein kleiner Bruchteil bei großen Vorhaben entscheidend mitmacht. Aber die Potenzierung des Wissens durch das Zusammenschalten vieler »Köpfe« und Computer wird ein unglaublich mächtiges Lebewesen Menschheit schaffen.
Wie mächtig dieses Lebewesen sein wird, mag man am besten daran erkennen, was es heute schon erreicht hat, im Positiven wie im Negativen. Es hat jeden Punkt der Welt zugänglich gemacht, es hat (bildlich gesprochen) mit Mond- und Marssonden erstmals sozusagen ins Weltall gespuckt; es hat gewaltige Produktionskapazitäten in allen Bereichen entwickelt, sonst könnte nicht ein ganz kleiner Prozentsatz der Europäer alle anderen mit den erforderlichen Lebensmitteln versorgen. Dass unsere Wohnungen wohltemperiert sind, nehmen wir inzwischen als genauso selbstverständlich hin wie dass wir uns jederzeit Kleidung oder Essen kaufen oder irgendwohin in die Welt reisen können. Andererseits hat dieses Lebewesen auch die Umwelt schwerstens verletzt, ist jederzeit in der Lage sich chemisch, biologisch oder nuklear selbst auszurotten usw.
Die Wissensvernetzung wird neue Phänomene mit sich bringen, die wir genauso wenig vorhersehen können wie
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