Xperten - Der Paradoppelgänger
aus einem kleinen Wohn-Schlafzimmer mit winziger Kochnische und einer eigenen »Nasszelle«. Für Barry wird es ein ungewöhnliches Leben werden: Er wird umsorgt werden, als wäre Gabriela seine eigene, aber noch überhaupt nicht emanzipierte Frau, eine Frau, der er aber zu nichts verpflichtet ist. Obwohl ihm sehr bewusst ist, dass diese Situation nur um Nuancen von Sklaverei verschieden ist, ist es für ihn wie für alle, die es sich leisten können, ein sehr angenehmes Arrangement. Mit Schmunzeln denkt er daran, dass es in Neuseeland oder in Europa eigentlich nur katholische Priester mit Haushälterinnen ähnlich gut haben!
Barry kauft auch das Auto von Carlos. Es ist ein großer, ehrwürdiger Veteran aus der Anfangszeit der mit Alkohol (Methylester aus Zuckerrohr) betriebenen Motoren. Das Programm der Regierung, Erdöl durch Biosprit zu ersetzen, war nicht so schnell erfolgreich, wie 1975 nach der Ölkrise gehofft wurde. Nach einigen Aufs und Abs gehört aber, wie Barry weiß, Brasilien zu den wenigen Ländern, wo Neuautos vorwiegend »Alkoholiker« sind.
Am Abend gibt es ein typisches brasilianisches Fest zur Verabschiedung von Carlos. Besucher kommen und gehen, wann sie wollen, jeder bringt was mit, es gibt laute Musik, die Nachbarn beschweren sich nicht, sondern kommen einfach dazu, es wird sehr spät. Barry bringt Carlos am nächsten Tag zum Flughafen. Als sich Carlos verabschiedet, lacht er Barry zu: »Lass von dir hören, wie du mit deinen diversen Frauen fertig wirst.« Barry versteht einen Moment nicht, was Carlos meint, bis er mitkriegt, dass dieser von Gina und Gabriela spricht. Aber Carlos hat auch an Carola und Anna gedacht und die vielen Sekretärinnen in den Botschaften, für die Brasilia viel zu wenige ungebundene und interessante Männer zu bieten hat.
Das Leben in Brasilia fängt gut an für Barry. Gabriela ist so erfreulich, wie er es gehofft hatte. Stets gut aufgelegt nimmt sie Barry jeden Handgriff ab. Sie lässt ihn aber sonst sofort allein und zieht sich zurück, wenn sie nichts zu tun hat und er ihr nicht ausdrücklich sagt, dass sie bleiben kann, um ihre Tätigkeiten - vom Blumengießen bis zum Fensterputzen oder Abstauben - ruhig fortsetzen kann. Ihr dabei zuzusehen macht Barry oft Spaß: Sie läuft in der Wohnung immer barfuß herum, trägt stets eine Bluse, bei der immer Knöpfe offen stehen, und kurze Röckchen, die bei manchen Bewegungen ihre bunten kleinen Slips (Farbe immer mit der Bluse abgestimmt) nicht ganz verbergen. Vom ersten Tag an ist es klar, dass sie Barry für »alles jederzeit zur Verfügung steht«, wie sie ihm schon bei der Vorstellung scheinbar unschuldig gesagt hat.
Barry macht sich an den ersten Tagen wieder mit Brasilia vertraut und geht ganz systematisch vor, einen längeren Aufenthalt vorzubereiten. Er eröffnet zunächst ein großes Bankkonto; damit wird ihm der Zugang zu einem der besten Clubs am Lago do Paranoá, dem künstlichen See, an dem Brasilia liegt, zugänglich. Nach zwei Besuchen hat er einige Freundschaften geschlossen, hat die Adressen eines guten Arztes und eines Rechtsanwaltes, bei denen er sich (für den Notfall) vorstellt, und er hat ohne sich zu bemühen die Telefonnummern von einigen Frauen, die sich offenbar für ein intensiveres Zusammensein interessieren. Die Mitgliedschaft im Club verschafft ihm auch ein eigenes Zimmer, wo er manchmal ein Mittagsschläfchen macht. Er weiß vor allem, dass er für Aktivitäten, bei denen er vielleicht seine Para-Fähigkeit einsetzen wird, einen Raum braucht, wo der »schlafende« Barry liegt, während er alles über den Para-Barry erlebt.
Nachdem er Gina zwei Tage nicht gesehen hat, ruft er sie an und fragt, ob sie mit ihm nicht zum Oberlauf des Itiquira auf ein Picknick und zum Schwimmen fahren möchte. Sie kennt die Stelle nicht, die er beschreibt. 6
Gerne sagt sie zu, aber sie schlägt vor, dass auch Carola und Anna mitfahren, er soll das Benzin übernehmen, sie werden Proviant und Getränke besorgen.
Also fahren sie zu viert am nächsten Vormittag aus der Stadt hinaus nach Norden. Sobald sie die Stadt verlassen, wo Rasenflächen zumindest teilweise gepflegt und gegossen werden, zeigt die Landschaft ihr wahres Gesicht. Jetzt, obwohl erst in der Mitte der Trockenzeit, ist die Landschaft schon trostlos braun, der Boden aus rotem Staub. Dazwischen überall die bis zu zwei Meter hohen pyramidenförmigen Termitenhügel. Die Stimmung ist lustig: Die Mädchen sprechen alle gut Englisch, doch manchmal
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