Xperten - Der Paradoppelgänger
leben, aber dann das Hausferkel für ein Fest mit vielen Entschuldigungen trotzdem geschlachtet wird.
In fortschreitender Abenddämmerung führt Gabriela ihren Herren Barry zu einem kleinen Quarzsteinbruch auf dem Grundstück ihrer Eltern. Plötzlich dreht sich ihr Verhältnis um: Hier ist sie die stolze Herrin. Sie zeigt ihm prächtige Quarzkristalle und gibt ihm dann einen faustgroßen, in dem schwarze Fäden im Inneren verlaufen. Barry merkt Besonderes in diesem Stein. Er spürt eigentümliche Kräfte, die ihn und seine Para-Fähigkeit verstärken, während Gabriela ihn genau beobachtet.
»Du bist einer von denen«, sagt sie.
Barry wird sehr lange nicht erfahren, was sie damit meint. »Was sind das für Fäden?«
»Die geraden sind Kohlenstofffäden. Die gebogenen Fäden und Flecken außen bestehen aus Silatraviat, was immer das sein mag, und scheinen ungewöhnliche Fähigkeiten zu verstärken. Behalte den Stein, Barry, er gehört zu dir. Ich habe es gewusst, als ich dich das erste Mal sah.«
Barry steckt den Stein ein. Sie gehen zurück zu Gabrielas Familie, wo das Ferkel am Spieß gedreht wird und viele freundliche Gesichter sie erwarten. Gabriela ist hier wieder seine Dienerin, er eine Respektsperson. Barry fühlt sich stärker als je zuvor:
»Es ist der Stein«, spürt er. Und da ist auch plötzlich das Wissen, dass er nicht auf immer in Brasilia bleiben kann. Er schaut Gabriela an. Sie hat Tränen in den Augen, als wüsste sie mehr als er.
10 Die Idee der »Superquadras« ist in etwa der Hälfte der Fälle gelungen, in der anderen Hälfte dominieren Feindschaften statt Freundschaften.
6. Sandra
März 2011
Sandra hat sich in Los Angeles, genauer gesagt in Santa Monica, in der 2nd Street direkt hinter der Ocean Avenue, gut eingelebt. Von ihrer Wohnung sind es nur einige hundert Meter, bis sie den schmalen Parkstreifen entlanglaufen kann, der zwischen der Straße und dem Abhang zum Palisades-Beach verläuft. Es ist ihr wie viele anderen zur Gewohnheit geworden, hier noch vor dem Frühstück eine Runde zu joggen. Ein leichter Wind weht häufig vom Meer, sodass der Verkehr auf der nahen Straße nicht stark stört. Die oft nur in Papier oder alte Decken eingewickelten Obdachlosen, die unter einem Baum übernachten und oft schon (oder noch) am Morgen betrunken sind, waren für sie in diesem vornehmen Teil der Stadt anfangs ein fast unverständliches Phänomen. Inzwischen sind sie für Sandra genauso selbstverständlich wie der herrliche Blick auf den Strand und der aus Holz gebaute Santa Monica Municipial Pier, der einige hundert Meter in die Bucht hinausreicht, wo sich Einheimische und Touristen tummeln, in Boutiquen einkaufen, etwas essen, oder nur in der Sonne ausrasten.
Sie kennt die meisten alten Männer, die auf dem Steg den ganzen Tag geduldig in der Sonne sitzen und ihre Angel nur so zum Zeitvertreib ins Wasser halten, um irgendwann mit einigen winzigen Fischchen nach Hause zu gehen. Manchmal, wenn sie Lust und genug Zeit hat, läuft sie vom Park auch hinunter, am Strand entlang, oder schwimmt ein paar Minuten im kalten Wasser des Pazifiks. Sie fühlt sich gesund und fit und merkt auch immer wieder anerkennende Blicke, die ihr folgen.
Mit ihrem Job als Leiterin der Personalabteilung bei einer der größten Banken ist sie recht zufrieden, vor allem, weil man mit ihr so zufrieden ist. Sie gilt als die beste Personalchefin, die man je hatte. Alle wundern sich über ihr ungewöhnliches Geschick mit Menschen und ihr Gehalt wurde schon mehrmals, ohne dass sie darum bitten musste, deutlich erhöht. Man will dieses Juwel schließlich nicht verlieren.
Sandra weiß natürlich, warum sie so gut ist: Sie ist Emotiopathin. Sie kann intuitiv die Stimmung anderer Menschen erspüren, auch kleinste Stimmungsumschwünge, Zuneigungs- oder Angstgefühle, Erregungszustände, Begeisterung, Langeweile usw. registrieren.
Es gab Zeiten 1 , da sie mit ihren Fähigkeiten in wichtigeren Positionen tätig war. Damals, vor über sieben Jahren bei der PPU, der Para-Psychologischen Unit der EU.
Klaus Baumgartner, Chef der PPU, hatte damals auf Wunsch des Leiters der EU-Kommission eine geheime Gruppe von Para-Begabungen für »Sondereinsätze« aufgebaut. Manchmal denkt Sandra mit ein bisschen Wehmut an die Tage, wo sie sich ganz wichtig fühlte, so als würde sie ganz oben in der Politik mitmischen, mit schwindelerregenden Aussichten, als sie zum Beispiel mit dem Vorsitzenden der Kommission und einigen ihrer Kollegen bei
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