Xperten - e-Smog: Elektromagnetische Umweltverschmutzung
kann also Pauls Leistungen nicht mit denjenigen anderer gleichaltriger Kinder vergleichen, aber Paul machte große Fortschritte. Hatte er zunächst noch mit mir zusammen Hausaufgaben gemacht – auf meinem Niveau –, so war er bald so weit, dass er Konzepte verstand und Arbeiten durchführte, die seinem eigenen Alter entsprachen und sogar darüber hinausgingen. Ich habe fast nur gute Erinnerungen an diese sieben Jahre.«
»Fast nur?«, fragt Mandi nach.
»Na ja, zuerst pendelte mein Vater täglich zur Arbeit – jede Strecke eineinhalb Stunden –, aber schon nach ein paar Wochen fuhr er am Montag ab und kam erst am Freitag zurück. Dann blieb er auch die Wochenenden in Gold Coast, um zu segeln. Wegen Paul weigerte sich Mutter, mit uns in die Stadt zu fahren, und so bekamen wir Vater nie zu Gesicht. Nach einem halben Jahr verunglückte Vater beim Segeln tödlich. Mutter fuhr ein paar Tage ohne uns nach Gold Coast, um herauszufinden, was passiert war, aber sein Leichnam wurde nie gefunden. Es gab nur einen Gedenkgottesdienst in Nimbin.«
»Das tut mir Leid«, sagt Mandi gedämpft. »Was geschah danach? Ich dachte, Paul ging es gut in Nimbin?«
»Es ging ihm gut«, sagt Evette. »Wahrscheinlich zu gut. Es ging ihm gut, also wollte er zur Schule gehen. Er wollte ein ‚normales‘ Kind sein. Es gab lange Diskussionen und Streitereien darüber, ob Paul zur Schule gehen dürfte oder nicht. Es gab Tage, an denen niemand im Haus auch nur ein Wort sprach. Das einzige Geräusch war von Zeit zu Zeit ein Türenschlagen. Schließlich gab Mutter nach. Sie sagte, wir könnten beide in Lismore zur Schule gehen. Die Schule war gut, aber sie war eben wie jede andere Schule: Es gab Computer, jeder hatte einen e-Helper, und überall waren elektrische Geräte. Paul und ich hatten auch allerlei elektronische Spielereien, von denen Mama natürlich nichts wusste. Wir wurden so wie alle Kinder. Nur, dass Paul nicht wie jedes andere Kind war.«
Mandi und Evette blicken schweigend durch die Windschutzscheibe nach vorne. Beide sind in Gedanken versunken. Evette wird von Bildern überschwemmt: Sie und ihr Bruder auf einem Campingplatz, Paul hält ihre zarten Hände in den seinen. Er führt sie durch die Schlucht, am Bachbett entlang, beschützend geht er wasserseitig, damit sie nur ja nicht ausrutschen und hineinfallen kann. Dann in Nimbin: Sie beide hocken auf dem Boden, an den Schultern geben sie sich Halt. Sie beobachten die Hühner in ihrem neuen Bau, der wie ein großer umgedrehter Obstkorb aussieht. Aus grobem Geflecht. Der beißende Geruch des Hofes vor dem Haus in Nimbin wird wieder lebendig und Evette kann das gedämpfte Gackern der drei Hühner hören. Da ist sie und ihr Bruder, wie sie lachend Orangen vom Baum pflücken, direkt unter dem Schlafzimmerfenster ihrer Eltern. Sie versuchen leise zu sein, um sie nicht aufzuwecken, aber gerade in diesem Augenblick hopst ein Känguru vorbei und vor lauter Aufregung vergessen sie leise zu sein …
Mandi überfliegt in Gedanken ihre Forschungstätigkeit im Bereich der elektromagnetischen Umweltverschmutzung. Sie hatte unzählige Berichte über Elektrosensitive gelesen. Sie las über Kinder, die an einer seltenen Immunschwäche litten, nachdem sie in einem Haus gelebt hatten, das nur 12 Meter von zwei Hochspannungsleitungen entfernt war … Ein Mann bezeichnete sich selbst als elektromagnetischer Detektor. Sein Gespür für Strahlung manifestierte sich in Form von Schmerzen und anderen Krankheitssymptomen, einschließlich Nieren-, Rücken- und Gelenksschmerzen, und Flecken auf der Zunge … Und da war die Frau, die ihren Zustand beschrieb‚ als wäre ihr ‚der Stecker gezogen worden‘. Diese zuvor sehr aktive Frau litt unter Gedächtnisverlust, Schlafproblemen, Depression, Apathie und allgemeinem Unwohlsein sowie unspezifischen Schmerzen. Sie führte das alles auf eine schlechte Verkabelung ihres Hauses zurück und als sie einen Generalabschalter einbauen ließ, verbesserte sich ihr Zustand.
Mandi las nicht nur die persönlichen Leidensgeschichten, sondern auch die veröffentlichten Forschungsberichte, deren Ergebnisse durchgehend als ‚nicht schlüssig‘ bezeichnet wurden. Sie las Berichte über Schafe, die in der Nähe eines Hochspannungsmasten gegrast hatten. Bei einigen von ihnen war das Immunsystem beeinträchtigt. Aber die anderen hatten keine Gesundheitsprobleme. Und sie las über Kühe, die magnetischen Feldern ausgesetzt gewesen waren. Die Bandbreite der Auswirkungen
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