Yachtfieber
hinein. Das brachte alle zum Lachen, so urkomisch klang es aus ihrem rot geschminkten Mund.
Dann waren sie alle wieder still, denn jemand stand vor ihrer Tür.
Pia nickte entschlossen und nahm die Sache in Angriff.
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»Ja, wir sind hier drin«, rief sie und rürtelte an der Klinke.
Immerhin wäre es auch komisch gewesen, wenn sie sich von der Polizei nicht hätten retten lassen wollen.
Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und kurz darauf stand der deutschsprachige Polizist im Türrahmen. Niemand sprach ein Wort. Er ließ seine Augen über die Menschen und die
Verwüstung in der Kabine gleiten.
»Und ich dachte immer, die Deutschen seien ordentlich«, sagte er unter seiner Schirmmütze hervor, verzog dabei aber keine Miene.
Kim zog die Stirn kraus und mußte sich erst einmal sammeln:
»Wollen Sie damit sagen, daß wir das hier angerichtet haben?«
»Es ist ja sonst wohl niemand an Bord!«
»Und daß wir uns selbst eingeschlossen haben?« Pia stand direkt neben ihm.
»Vielleicht wollte der Kapitän seine Ruhe haben?«
»Ist er …« Kim sah fragend zu Marc, verkniff sich aber das letzte Wort.
»Wenn Sie uns jetzt bitte folgen würden. Wir müssen hier in Ruhe aufnehmen, was Sie angerichtet haben!«
Er öffnete die Tür und wartete offensichtlich, daß alle hinausgingen.
»Hab ich das jetzt richtig gehört?« fragte Marc. »Sie unterstellen uns, wir hätten diesen Kahn so zugerichtet? So eine Art Halbstarkenparty auf einem Urlauberschiff?«
Er zuckte die Achseln. »Mit ein paar tausend Euro dürfte der Schaden behoben sein.« Damit drehte er sich um und ging zur Tür hinaus, blieb aber noch einmal mit einer kurzen, zackigen Drehung stehen. »Wenn Sie so lange auf unserem Polizeiboot warten möchten. Mein Kollege wird Sie dort empfangen! Folgen Sie mir jetzt bitte!«
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Nadine lief ihm als erste hinterher, die anderen standen noch ratlos im Raum.
»Paß auf!« sagte Kim und verzog das Gesicht. »Morgen steht in der Boulevardzeitung, daß du ein türkisches Boot bei einem Saufgelage schwer beschädigt hast. Sie werden exklusive Bilder bringen, herausgerissene Betten, durchwühlte Kleider, Wäsche und was weiß ich!«
»Wenn es auf das hinausläuft, dann steckt meine Konkurrenz dahinter!«
»Jetzt komm«, Pia strich mit ihrem Zeigefinger an seinem T-Shirt hinab, »werdet hier bloß nicht hysterisch. Warum die das jetzt so hindrehen, wissen wir nicht. Aber daß sie unrecht haben, wissen sie selbst!«
»Und nützt uns das was, Mama?«
»Kommen Sie jetzt bitte?« kam der Ruf von der Treppe herunter.
»Wir klauen das Polizeiboot«, sagte Anja und grinste. Alle schauten sie entgeistert an.
Alissa traute dem Frieden nicht. Dein Bauch zeigt den Weg, dieser Satz war ihr aus irgendeiner großen Lehre in Erinnerung geblieben. Auch wenn sie sich in diesem Moment nicht mehr erinnern konnte, wer das gesagt hatte, so fand sie doch, daß die Aussage stimmte. Sie wollte so schnell wie möglich hier weg.
Langsam schob sie den Gashebel nach hinten, als sie von rechts einen Rempler spürte. Ein schneller Blick - und sie wäre fast einem Herzschlag erlegen: Da hing ein schwarzer Gummimann neben ihr über dem Schlauch. Mit beiden Händen hatte er nach innen gefaßt, der Kopf lugte über den Rand. Eine dunkle Taucherbrille, von der Wasser abperlte, glotzte sie an. Mehr wollte sie nicht sehen. Sie riß den Gashebel vollends nach hinten, und das Boot schoß davon.
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Der Mann verschwand im Wasserstrudel hinter ihr, was ihr egal war, denn das pure Entsetzen hatte sie ergriffen und hielt sie fest wie ein Schraubstock. Sie donnerte los, ohne zu wissen, wohin. Sie wollte nur diese Schreckgestalt hinter sich lassen und hoffte inständig, auf dem Weg nach vorn keine weitere Felsbekanntschaft zu machen.
Nach einer Weile hatte sie sich wieder so weit im Griff, daß sie das Tempo reduzieren und nach dem Kompaß greifen konnte. Trotzdem mußte sie sich die ganze Zeit umsehen, ständig hatte sie das Gefühl, jemand säße ihr im Nacken.
Sie hatte sich endlich soweit gefaßt und studierte gerade den Kompaß, als sie noch einmal Licht sah. Diesmal schien es tatsächlich ein Schiff zu sein. Sie dämpfte ihren Jubel. Sachte, sachte, wer weiß, was das ist. Trotzdem überkam es sie. Sie gab Gas, und jetzt erkannte sie auch, daß sie nahe an der Küste sein mußte. Trotz der Finsternis zeichnete sich etwas gegen den Himmel ab. Das konnte nur Land sein. Alissa hätte sich jetzt gern mit jemandem gemeinsam gefreut, aber so
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