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Yachtfieber

Yachtfieber

Titel: Yachtfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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»verirrt«? Sie rief: »I lost my way« und kam sich dabei blöd vor.
    Der junge Mann machte ein Handzeichen, das sie als
    freundliche Geste deutete, und verschwand. Sie wartete. Es kam ihr entsetzlich lang vor. Hoffentlich war das kein höfliches Abschiedswinken gewesen.
    Aber als er wieder auftauchte, bewegte sich wie von
    Zauberhand ein schmales Teil der Außenwand zur Seite, und eine Treppe kam zum Vorschein. Alissa staunte. Das war nun wirklich komfortabel.
    Der junge Mann stieg ihr entgegen, nahm ihr das Schlauchboot ab, befestigte es mit einer neuen Leine an einer Belegklampe und bedeutete ihr, nach oben zu gehen. Sie fühlte sich seltsam, zumal sie außer ihm noch niemanden gesehen hatte.
    Sie wartete und folgte ihm dann zum Heck des Schiffes, das luxuriös mit tiefen weißen Polstermöbeln ausgestattet war, wo sich aber kein Mensch aufhielt. War sie auf einem Geisterschiff 144
    gelandet? Sie blieb abwartend stehen, aber der junge Mann wies mit der Hand auf einen der Sessel.
    Sie bedankte sich, fragte aber im gleichen Atemzug auf englisch, ob er hier alleine sei.
    Er lächelte sie freundlich an und entblößte dabei eine Reihe gleichmäßiger weißer Zähne, gab ihr aber keine Antwort.
    »Drink?« fragte er statt dessen. Alissa bat um Wasser und ließ sich dann in einen der Sessel sinken.
    Gütiger Gott, daß es Menschen mit so viel Geld gab. Sie sah dem Jungen nach, wie er in den Innenraum ging, eine Art Salon, in den sie durch eine riesige Fensterfront bequem hineinschauen konnte. Er ging über einen cremefarbenen Teppichboden an eine Bar – sie hätte auf Mahagoni getippt, war sich aber nicht sicher
    – und stellte etwas auf ein kleines Tablett. Gegenüber der Bar standen Clubsessel in knalligem Rot, kombiniert mit der Art von Sesseln, wie sie gerade selbst in einem saß. Alles sah verschwenderisch aus, besonders die üppigen Blumensträuße in riesigen runden Silbervasen. Wahrscheinlich war es sogar echtes Silber, sagte sich Alissa. Vielleicht war sie ja auf dem Schiff der Drahtzieher dieser ganzen Entführung gelandet, und gleich würde sie gefragt werden, wo sie das Kokain versteckt hatte. Es war ihr nicht einmal klar, ob der junge Türke, der ihr eben das Wasser in einem leicht beschlagenen Silberkrug reichte, ein Angestellter war oder nicht. Dazu servierte er Eiswürfel in einem passenden Gefäß, ein elegantes Wasserglas und eine Auswahl an Nüssen. Auf seinem Poloshirt prangte über der linken Brust ein kleines rot-blaues Wappen, was aber das über seinen Status nichts aussagte. Er sah gut aus, frisch und sehr gepflegt, und Alissa schaute unwillkürlich an sich hinunter.
    Hoffentlich ließ sie den Sessel in sauberem Zustand zurück. Die Kraxelei an und auf der »Dogukan« hatte doch erhebliche Spuren an ihr hinterlassen. Sie fragte sich, welchen Eindruck sie wohl auf den Mann hier machte. Den einer Bettlerin? Einer 145
    Geistesgestörten? Einer jungen Frau auf der Suche nach einem Abenteuer?
    »Are you alone here?« versuchte sie es noch einmal. Vielleicht war er ja ein Einsiedler.
    Er lächelte ihr freundlich zu, antwortete aber nicht.
    Du lieber Himmel, ein Taubstummer. Oder ein willenloser Untergebener. Hatten sie ihm am Ende die Zunge
    herausgeschnitten? Nein, beruhigte sie sich, Drink hatte er ja schon gesagt.
    Er wollte nicht reden. Er gehörte wohl zu der Sorte Mann, die den Mund nicht aufbekommen. Denen du wie ein
    Alleinunterhalter drei Stunden etwas erzählen mußt, damit überhaupt etwas gesagt wird, und die dir nachher vorwerfen, du würdest pausenlos reden und sie kämen nicht zu Wort. Und wenn du dann nichts mehr sagst, bleibt es still. Über Stunden.
    Entsetzlich.
    Sie beäugte ihn.
    Vielleicht fiel ihm auch einfach nichts ein? Vielleicht war er schüchtern?
    »Where are the other people?« nahm sie einen dritten Anlauf und machte eine alles umfassende Geste. Das mußte der größte Depp kapieren.
    Er lächelte, nickte ihr freundlich zu und ließ sie allein. Da saß sie nun. War das nun besser, als mutterseelenallein in einem Gummiboot über die Weltmeere zu schippern?

    Uli schreckte hoch. Irgend etwas hatte ihn berührt. Er war zusammengekauert in dem kleinen Boot eingeschlafen, aber jetzt war er hellwach. Er konnte nichts erkennen, aber er wußte, daß er nicht mehr alleine war. Uli hielt den Atem an. Atmete da jemand? Er hörte ein leises Kratzen, war sich aber nicht sicher, woher es kam.
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    Etwas streifte seine bloßen Zehen, und er fuhr entsetzt hoch.
    Das brachte Bewegung

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