Yachtfieber
Visitenkarte gegeben. Es war ihm doch klar, daß wir dadurch
draufkommen!«
Alissa stieß einen tiefen Seufzer aus. »Weißt du, ich kapier’s einfach nicht. Ich steig nicht dahinter, ich weiß überhaupt nicht, was hier eigentlich abgeht.« Sie schaute zu Chara auf.
»Aber meinst du, es gibt keine Möglichkeit, mal irgendwie mit der ›Dogukan‹ in Kontakt zu treten?«
Chara zog ihr Handy heraus. »Kein Problem, wenn wir
irgendeine Telefonnummer von denen an Bord hätten. Oder wüßten, welche Chartergesellschaft das ist.«
Alissa löste sich von ihr. »Weißt du was? Laß uns in die Altstadt gehen, im Schatten was trinken, und außerdem brauch ich gescheite Schuhe. Die Telefonnummern sind alle in meinem Handy gespeichert, ich hab’s über Bord werfen müssen, und von der Chartergesellschaft habe ich keine Ahnung. Also niente!
Aber hier bekomme ich gleich einen Sonnenstich!«
Pia machte sich Gedanken über das, was ihr Kim erzählt hatte, aber sie kam nicht weiter. Vielleicht war es tatsächlich ein Zufall. Kim wußte nur, daß sich Alissa und Falk ein paarmal über Handy geschrieben hatten, aber auch das war normal, wenn man einander gefiel. In so einer Situation lief man Gefahr, aus allem etwas herauszulesen.
Pia hatte einige Gewürze gekauft, das gehörte einfach dazu.
Und sie hatte gehandelt, so ein bißchen, nicht bis unter den Anstandspreis, aber so, daß es beiden Spaß machte, das gehörte 205
auch dazu. Mit ihren durchsichtigen Plastiktüten bepackt trat sie hinaus in die Sonne und stellte fest, daß der Tag nun schon so weit fortgeschritten war, daß nun auch alle Läden geöffnet hatten. Wenn sie alleine gewesen wäre und nicht diese Geschichte im Nacken gehabt hätte, wäre sie jetzt noch auf die Jagd nach einigen netten Mitbringseln gegangen, aber so ging sie zu dem kleinen Tisch zurück, an dem Uli und Anja warteten.
»Gibt’s schon was?« fragte sie.
»So lange warst du gar nicht weg«, lächelte Anja. »Und sie könnten uns ja selbst dann nicht erreichen, wenn was wäre. Also stellt sich nur die Frage: Magst du noch ein Glas?«
Pia bejahte, setzte sich wieder dazu, streckte die Beine aus und ließ die Menschen an sich vorbeiströmen. Sie beobachtete die Touristen, die leicht an ihrer etwas aufgeregten Suche nach dem ultimativen Schnäppchen zu erkennen waren, und die
geruhsamen Türken, die bei aller Geschäftstüchtigkeit immer wirkten, als hätten sie alle Zeit der Welt. Pia hätte gern einmal ihren Mann in eine der Fabriken begleitet, die für seine Firma nähten, aber er wickelte seine Geschäfte meistens ohne sie ab, denn mit ihr wollte er das Leben genießen. Vielleicht sollte sie das noch einmal anregen, denn es interessierte sie schon, wie und unter welchen Bedingungen die Frauen dort arbeiteten und ob sie anders waren als die Türkinnen hier, die sehr offen und selbstbewußt wirkten, rauchten und Läden führten – das krasse Gegenteil zu den Türkinnen, die sie bei sich zu Hause in Deutschland auf der Straße oder beim Einkaufen sah.
Es war schön, sich so treiben zu lassen und sich dabei seine Gedanken zu machen, und sie bemerkte plötzlich, daß sie völlig vom aktuellen Thema abgekommen war.
»Die brauchen aber lange!« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und mußte sich korrigieren. Trotzdem wurde sie langsam unruhig.
Uli trank aus und fragte: »Soll ich ihnen mal entgegengehen?«
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»Dann ist es zum Schluß wie mit dem Herrn, der seinen Jockel ausschickt … nein, bleiben wir besser zusammen!«
Daraufhin bestellte Uli eine weitere Cola.
Anja beschloß, ebenfalls schnell in den Gewürzladen zu gehen.
»Bring türkischen Honig mit!« rief ihr Uli nach.
»Cola und türkischer Honig!« Pia schüttelte den Kopf. »Du hast Glück, daß du so ein schmales Hemd bist!«
»Jetzt erlaub mal!« Uli spannte gerade zum Gegenbeweis seinen Bizeps unter seinem hellblauen T-Shirt an, als Pia ihre Tochter und Nadine durch die Menschenmenge auf sich
zukommen sah.
»Da kommen sie«, rief sie, zeigte mit dem Finger in die Ferne und sprang auf. »Dann los! Ich hole Anja, und du bezahlst derweil!«
»Laß doch erst mal hören, was sie sagen!« Uli blieb sitzen und machte mit beiden Händen beschwichtigende Gesten. Geduld, Geduld! »Auf dich hat die Türkei auch noch nicht abgefärbt, was?« sagte er grinsend.
»Das ist eine Temperamentsfrage und hat wohl weniger mit dem Land zu tun!« In Wirklichkeit hatte sie einfach Angst um Alissa. Denn daß sie nicht dabei war und
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