Yachtfieber
verstehst du? Ein Spiel. Und immerhin bin ich Griechin, er kann die Touristen abzocken, das habe ich ihm auch gesagt. Es springen genug dumme Deutsche, Franzosen, Italiener und Engländer herum, die ihm Kohle bringen, und er war meiner Meinung. So einfach ist das!«
»Na, hör mal!«
In einer Seitengasse wurde es ruhiger, und Alissa ging wieder neben Chara.
»Niedlich«, sagte sie und betrachtete die kleinen einladenden Restaurants mit den Tischen und Stühlen, die draußen standen.
Chara hatte sich in kürzester Zeit für eines entschieden und bedeutete Alissa, sich hinzusetzen, während sie selbst hineinging.
Ich bin schon völlig fremdbestimmt, dachte Alissa, während sie sich setzte und kurz mit der Hand über ihre schmutzige Bluse fuhr. Ein frisches T-Shirt wäre auch nicht verkehrt, aber Chara schien ihr Anblick bislang nicht zu stören. Wahrscheinlich sehe ich aus wie ihre schmutzige kleine Schwester, ein alltägliches Bild eben, dachte Alissa, und im selben Moment fiel ihr ein, daß sie ja gleich alt waren.
Kim und Nadine hatten auf der ganzen Linie Schiffbruch erlitten. Die Polizeistation war nur von einem einzigen 210
Polizisten besetzt, den sie nicht kannten und der entweder kein Deutsch und kein Englisch konnte oder sie nicht verstehen wollte. Sie hatten mit Zeichensprache versucht, ihm etwas klarzumachen, wollten, daß er seinen Chef anrief, der ja immerhin sehr gut Deutsch sprach. Aber der beleibte Mann, dem pausenlos Schweißtropfen unter der Schirmmütze hervor über die dicken Wangen nach unten in den Hemdkragen liefen, streckte irgendwann beide Hände in die Höhe: Er könne ihnen überhaupt nicht helfen. Dann ließ er sie im Eingang des Polizeigebäudes stehen.
Nadine ärgerte sich über diese unhöfliche Art, und Kim ärgerte sich darüber, daß der Weg durch die brütende Hitze völlig umsonst gewesen war. Jetzt war es schon fast Mittag, der Morgen war ihnen zwischen den Fingern zerronnen, und sie hatten nichts erreicht.
»Ich krieg langsam Angst«, sagte sie zu Pia, die noch immer neben dem kleinen Tisch in der Fußgängerzone stand. Ein Engländer mit leicht verbrannter heller Gesichtshaut blieb neben ihr stehen und fragte, ob der Tisch jetzt frei würde. Pia schaute Uli und Anja auffordernd an. »Hier sitzen zu bleiben bringt wohl auch nichts mehr«, meinte sie.
»Wenn sie aber irgendwo vorbeikommt, dann am ehesten hier!« Uli machte eine ausholende Handbewegung und schaute durch den Engländer hindurch. »Vielleicht schlafen sie sich in irgendeinem Hotel aus, könnte ja auch sein!«
»Dann müßten wir jetzt sämtliche Hotels und Pensionen abklappern!«
Pia schaute Kim an. »Hatte Alissa überhaupt Geld dabei?«
Kim nickte. »Ein paar Scheine von mir, aber damit kommt sie nicht weit!«
»Sorry«, fragte der Engländer erneut, der nicht sicher war, ob man ihn verstanden hatte.
Pia war unentschlossen.
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»Nee, sitzen kann ich nicht mehr«, meinte sie schließlich.
»Wir sollten uns vielleicht trennen! Uli und Anja, ihr bleibt hier sitzen, Uli hat ja recht, wenn sie irgendwo durchkommen, dann sicherlich hier, und wir anderen gehen mal zur ›Dogukan‹
zurück. Vielleicht ist sie ja schon längst dort. Die ›Dogukan‹ ist ja nicht so leicht zu übersehen, möglicherweise hat sie sie bereits entdeckt!«
Pia bot dem Engländer, der verständnislos von einem zum anderen schaute, ihren Platz neben Uli und Anja an und hakte sich bei Kim unter. »Ich habe übrigens auch Angst«, sagte sie leise zu ihr, »und ich bin mir nicht sicher, ab wann wir was tun müßten!«
»Wie meinst du das?«
»Na, Fahndung, Eltern anrufen, eine offizielle Suchaktion starten!«
»Ach, Mama!« sagte Kim, und ihr Ton war der einer
Erwachsenen, die mit ihrem unwissenden Kind spricht, »das Schlauchboot ist doch da, ertrunken kann sie nicht sein!«
Pia genoß es, von ihrer Tochter plötzlich wieder wie ein Mensch behandelt zu werden, wenn auch wie ein geistig minderbemittelter, immerhin aber mit einer gewissen
Zärtlichkeit, die neu an ihr war.
»Übrigens«, Kim zeigte auf eines der Schmuckgeschäfte, kurz vor der großen Uferstraße, »das ist doch unser
Lieblingsgeschäft. Alissa hat sich in eine Silberkette verliebt, die ihr aber zu teuer war. Ich habe sie heimlich gekauft, und wenn wir wieder zu Hause sind, schenken wir sie ihr, ich dachte, so als schöne kleine Erinnerung!«
Pia freute sich, und zwar nicht nur über Kims Idee, sondern daß sie sie einbezog. »Tolle Geste! Darf ich mich
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