Yendi
uns.«
Ich verneigte mich vor ihr. »Vielen Dank, Lady. Ich fürchte, es handelt sich nur um eine Stippvisite. Wo kann ich Morrolan finden?«
»Der Lord Morrolan ist in seiner Bibliothek, Mylord. Gewiß wird er genauso erfreut sein, Euch zu sehen, wie wir anderen.«
»Danke«, gab ich zurück. »Ich finde alleine hin.«
»Wie Ihr wünscht, Mylord.«
So war das andauernd mit ihr. Und sie brachte einen sogar dazu, daß man ihren Worten glaubte.
Wie sie gesagt hatte, traf ich Morrolan in seiner Bibliothek an. Als ich eintrat, saß er vor einem geöffneten Buch an seinem Tisch und hielt ein kleines Glasrohr an einem Faden über eine schwarze Kerze. Er schaute auf, als ich näher kam, und legte das Röhrchen beiseite.
»Das ist Hexenkunst«, sagte ich zu ihm. »Laß das. Ostländer praktizieren Hexenkunst; Dragaeraner Zauberei.« Ich schnüffelte ein bißchen. »Außerdem benutzt du Basilikum. Du solltest Rosmarin nehmen.«
»Ich war schon ein ausgebildeter Hexenmeister dreihundert Jahre vor deiner Geburt, Vlad.«
Grunzend sagte ich: »Trotzdem solltest du Rosmarin nehmen.«
»Der Text hat es nicht eindeutig vorgegeben«, erwiderte er. »Er ist leider ziemlich stark verbrannt.«
Ich nickte. »Wo wolltest du denn hinschauen?«
»Um die Ecke«, sagte er. »Es handelte sich lediglich um ein Experiment. Aber bitte, setz dich doch. Womit kann ich dir behilflich sein?«
Ich setzte mich in einen großen, gut gepolsterten Sessel aus schwarzem Leder. Auf einem Tisch neben mir fand ich einen Zettel und einen Stift. Die nahm ich mir und fing zu schreiben an. Währenddessen flog Loiosh hinüber zu Morrolans Schulter. Der kratzte ihm wie gewünscht den Kopf. Loiosh nahm dies dankend auf und flog wieder zurück. Dann überreichte ich Morrolan den Zettel, und er sah ihn sich an.
»Drei Namen«, sagte er. »Keiner davon ist mir ein Begriff.«
»Sie alle sind Jhereg«, erklärte ich. »Kragar müßte dich mit jedem von ihnen zusammenbringen können.«
»Warum?«
»Es sind gute Sicherheitsleute.«
»Möchtest du, daß ich einen Gehilfen für dich engagiere?«
»Nicht ganz. Möglicherweise willst du an einen dieser Leute herantreten, nachdem ich nicht mehr zur Verfügung stehe.«
»Du erwartest also, daß du bald nicht mehr verfügbar bist?«
»Gewissermaßen. Ich nehme an, das ich tot sein werde.«
Seine Augen wurden schmaler. »Was?«
»Ich weiß nicht, wie ich es sonst erklären soll. Ich nehme an, daß ich schon bald tot bin.«
»Warum?«
»Ich bin unterlegen. Jemand ist auf mein Gebiet scharf, und ich beabsichtige, es ihm nicht zu überlassen. Ich glaube, er kann mich übernehmen, und das bedeutet, ich werde tot sein.«
Morrolan betrachtete mich eingehend. »Warum wird er dich ›übernehmen‹ können?«
»Er hat größere Mittel als ich.«
»›Mittel‹?«
»Geld.«
»Oh. Bitte kläre mich kurz auf, Vlad. Wieviel Geld benötigt man für etwas dergleichen?«
»Hä? Hmmm. So ungefähr fünftausend in Gold würde ich sagen … jede Woche, solange es dauert.«
»Verstehe. Und wie lange wird es voraussichtlich dauern?«
»Oh, drei oder vier Monate sind normal. Manchmal sechs. Neun wäre schon lange, ein Jahr wäre sehr lange.«
»Soso. Ich nehme doch an, dieser Besuch ist kein heimlicher Versuch, sich finanzielle Mittel zu erschleichen.«
Ich tat überrascht. »Morrolan! Selbstverständlich nicht! Einen Dragon bei einem Krieg zwischen Jhereg um Unterstützung bitten? Nicht mal im Traum würde ich es wagen.«
»Gut«, antwortete er.
»Na ja, das war auch schon alles. Ich werde dann wohl aufbrechen.«
»Ja«, sagte er. »Nun, viel Glück. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.«
»Vielleicht«, stimmte ich zu. Ich verneigte mich und ging. Die Treppen hinunter, durch die Halle, dann zu den Eingangspforten. Lady Teldra lächelte, als ich an ihr vorbeiging, und sagte: »Entschuldigt, Lord Taltos.«
Ich blieb stehen und wandte mich um. »Ja?«
»Ich glaube, Ihr habt etwas vergessen.«
Sie streckte einen großen Geldbeutel aus. Ich mußte grinsen. »Hoppla, tatsächlich, danke. Den hätte ich wirklich nicht gern hiergelassen.«
»Ich hoffe, wir sehen Euch bald wieder, Mylord.«
»Vermutlich werdet Ihr das, Lady Teldra«, gab ich zurück. Dann verneigte ich mich vor ihr und ging für den Teleport in den Hof.
Auf der Straße vor meinem Büro kam ich an und stürmte sofort hinein. Als ich schließlich drinnen angekommen war, rief ich nach Kragar. Dann knallte ich das Gold auf meinen Tisch und zählte es
Weitere Kostenlose Bücher