Yoga als Therapie
Krankheiten und Behinderungen eingeführt. Sein durchdachtes System bezüglich der Verwendung von Hilfsmitteln zur Unterstützung der einzelnen Haltungen ist für die therapeutische Arbeit von besonderer Bedeutung. Iyengars eigene Entwicklung hat mit einer schweren Erkrankung im Kindesalter begonnen. In über 70 Jahren hat er dann seine Übungspraxis, sein medizinisches und philosophisches Verständnis und seine Lehrmethoden beständig verfeinert und ausgebaut. Im Dezember 2011 hat er bei guter Gesundheit seinen 93. Geburtstag gefeiert. B. K. S. Iyengar bezeichnet Yoga als eine Wissenschaft zur Befreiung der Seele durch Integration von Bewusstsein, Geist und Körper. Gesundheit ist eine – sehr wichtige – Nebenwirkung der Praxis ( Iyengar 2001a ).
Vor über zehn Jahren fragte Luise Wörle B. K. S. Iyengar während eines seiner Seminare in Europa, wie man mit therapeutischem Yoga beginnen solle. Seine klare, enthusiastische Antwort lautete: „Bau in deinem Körper gesunde Strukturen auf. Von dort aus kannst du die ungesunden korrigieren.“ Es hat uns zutiefst inspiriert, zu erleben, wie es Iyengar gelungen ist, in seinem eigenen Körper gesunde Strukturen aufzubauen, zum Nutzen seiner persönlichen Gesundheit, aber auch, um Schüler und Patienten zu unterrichten und zu unterstützen. Seither ist diese Inspiration zur Grundlage unserer Arbeit geworden, verbunden mit dem Begriff der gesunden Funktion. Wir konnten substanzielle Wirkungen auf die Fähigkeit unserer Schüler und Patienten beobachten, zu ihrerSelbstheilung beitragen. Selbst wenn eine Erkrankung noch so schwer ist, so sind im Körper wahrscheinlich trotzdem noch einige gesunde Strukturen erhalten. Mit diesen Strukturen zu arbeiten, aktiviert die Selbstheilungskräfte des Patienten, sodass selbst in schwierigen Situationen eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass sein Zustand sich verbessert. Einige Beispiele für gesunde Strukturen und Funktionen sind:
•eine zentrierte Haltung im Sitzen, Stehen, Gehen und bei unterschiedlichen Tätigkeiten,
•Symmetrien,
•korrekte Ausrichtung,
•physiologische Stellungen und ein physiologischer Bewegungsbereich für alle Gelenke,
•eine ausgeglichene Aktivität der Muskulatur,
•gut entwässerte und mit Flüssigkeit versorgte Gewebe,
•genügend Raum in den Körperhöhlen.
Im Mai 2009 hat B. K. S. Iyengars Tochter GeetaIyengar zwei große Veranstaltungen in London und Köln geleitet, bei denen sie vor allem auf Haltungs- und Bewegungsmuster einging. Sie hob hervor, wie wichtig es ist zu lernen, wie man die eigene Haltung korrigiert und den Körper bewegt, sobald man herausgefunden hat, wo er sich nicht oder nicht richtig bewegt und wo er zu schwach oder überbeweglich ist. Um exakt zu üben, sollen zuerst die Einzelheiten erlernt und anschließend korrekt zu komplexeren Haltungen kombiniert werden. Diesem Konzept, zuerst die Details zu erlernen, folgen die im 6. Kapitel dieses Buchs vorgestellten Bausteinübungen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Āsanas so zu modifizieren, dass ihre wohltuenden Wirkungen auf Körper, Geist und Seele für viele Menschen mit unterschiedlicher körperlicher Verfassung, gesundheitlichen Problemen und Einschränkungen zugänglich sind. Kennen Therapeuten und Lehrende die Essenz eines Āsanas, so können sie es auf unterschiedliche Art und Weise an die Bedürfnisse des individuell Übenden anpassen. Zum Beispiel werdenHilfsmittel eingesetzt, um den Übenden bei der Ausführung unterschiedlicher Haltungen zu unterstützen. Das erweitert die Übungsmöglichkeiten, weil viele Āsanas ohne den Einsatz von Hilfsmitteln nicht ausgeführt werden können. Je nach vorliegender Einschränkung kann ferner die Haltung angepasst und modifiziert werden. Selbst wenn nur eine kleine Veränderung erzielt wird, kann die Essenz des Āsanas erfahren und eine Verbesserung des Zustands erreicht werden.
Sehr ungelenke Übende können sich dadurch besser dehnen und mehr Beweglichkeit erlangen; schwache Bereiche werden unterstützt, um sie nicht übermäßig zu strapazieren, und verlorene Fähigkeiten können wiedergewonnen werden. Jeder kann ungeachtet seines körperlichen Zustands so die positiven Wirkungen des Yoga erfahren. Wird ein Āsana ausgeführt, dann kann man erst einmal so weit wie möglich gehen und dann, falls nötig, ein Hilfsmittel zur Unterstützung einsetzen. Selbst sehr kranke, verletzte und behinderte Menschen profitieren vom Einsatz von Hilfsmitteln und können
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