Yoga Bitch
sondern immer nur auf dem roten Teppich gesehen hat. Niemand weiß genau, was Antioxidantien sind oder was sie machen, aber jeder will sie dabeihaben.) Spaghetti waren verpönt – außer bei Montignac, einer nach meiner Erfahrung erstaunlich effektiven Methode, wenn man sie denn einhielt. Bier ist ein Dickmacher, wie Alkohol allgemein, aber ein Glas täglich reduziert nachweislich das Schlaganfallrisiko sowie Herz- und Kreislaufkrankheiten. Und so weiter. Jedes Nahrungsmittel, nach dem man griff, war vollgepackt mit Infos und Fettgehalten und Kalorien-Tabellen und Widersprüchen.
Selbst das einst heilige Maß aller Dinge – die Kalorie – gerät allmählich ins Wanken. Montignac und andere Experten fordern sogar, das Konzept der Kalorie neu zu überdenken, weil Kalorien vor einhundert Jahren eingeführt wurden und seither nicht mehr aktualisiert wurden. Andere behaupten, dass Kalorien unterschiedlich aufgenommen werden und dies bei Ernährungsberatungen berücksichtigt werden müsse.
Vor allem darf man Folgendes nicht vergessen: Vor einhundert
Jahren gab es keine Diäten. Trotzdem ist die Menschheit heute viel dicker.
*
Dass ich die Dukan-Diät nicht anfing, hatte mit einer Fülle von Faktoren zu tun. Zunächst einmal mit Marie, Sophies Schwester. Sie kam an und Sophie rollte schon im Gang die Augen und flüsterte mir zu: »«Du flippst gleich aus, wenn du das siehst.« Und tatsächlich: Marie war da und sie war dünn. Dünn! Sie musste mindestens 20 Kilo abgenommen haben. Ihre Bäckchen waren immer noch rosig, ihr Lachen genauso laut, doch sie war dünn. Eine dünne Fröhliche. Ohne Ankündigung. Sachen gibt’s.
Sophie und ich redeten Unsinn, während wir Marie beobachteten, die fröhlich pfeifend Cupcakes bestrich. Als sie fertig war, nahm sie ihre Schürze ab, begann eine Zigarette zu drehen und sagte: »Also, auf was habt ihr getippt?«
»Was meinst du?«, stammelten Sophie und ich mehr oder weniger synchron.
»Ich meine, wie ich abgenommen habe? Das wollt ihr doch wissen. Und Sophie, denkst du nicht: Wieso macht sie Cupcakes? Das ist doch schon wieder der Anfang vom Ende?«, fragte Marie und lachte.
»Wie gut du sie kennst«, sagte ich. »Also erzähl’ schon.«
Marie erzählte. Sie hatte in einer Zeitschrift eine Reportage über die »Slow Food«-Methode gelesen, sofort eine der am Ende des Artikels gelisteten Praxen in München angerufen und sich einen Termin geben lassen. Eine Woche später saß sie in einer schicken Praxis in Isarnähe, ihr gegenüber eine Sozialpsychologin, eine schicke, schlanke Person namens Dr. Überlegmal. Sie schlug sofort vor, essen zu gehen. Das gefiel Marie.
»Wie hungrig bist du? Versuch’, deinen Hunger zu fühlen und einzuschätzen«, sagte sie zu Marie, als sie die Karte studierten. »Auf einer Skala von 1 bis 10. Du musst aber deine Gelüste ausschalten, einfach nur auf den Körper hören, dich nur darauf einlassen.«
Das sei wichtig, um zu entscheiden, wie viel Nahrung man tatsächlich brauche, und nicht danach zu gehen, auf wie viel man Lust hätte, erklärte sie. Man solle herausfinden, ob man Hunger habe oder Lust, etwas zu essen. Ist man müde, genervt, frustriert, gelangweilt, gestresst, übernächtigt, verkatert, verzweifelt – oder tatsächlich hungrig? Das andere, alles außer Hunger, erklärte Dr. Überlegmal, sei nicht schlecht, es sei aber wichtig, den Unterschied zu erkennen. Das Stichwort war Achtsamkeit.
Als das Essen kam, sollte Marie die Konsistenz, den Geruch, den Geschmack beschreiben – kurzum: sich auf das Essen konzentrieren.
Für Marie ergab bei diesem ersten Essen alles Sinn. Sie fing an aufzuschreiben, was und wann und warum sie aß. Sie konzentrierte sich aufs Essen und erledigte es nicht nebenbei. Zunächst nervte das, denn sie erkannte, dass die Gummibärchentüte um elf Uhr morgens ein Unding war, aß sie aber trotzdem auf und fühlte sich dann auch noch schuldig. Sie wurde sich bewusst, dass sie das übrig gebliebene Essen ihrer Kinder lieber aß, als es wegzuschmeißen oder kalt zu stellen, dass sie bei gewissen Fernsehsendungen eine Tüte Chips nur so inhalierte, als Ritual. Hier halfen ihr aber die Pausen, die Dr. Überlegmal vorgeschlagen hatte. Die konnte man nämlich auch einlegen, nachdem man schon abgebissen hatte. Innehalten. Überlegen. Wirklich? Warum jetzt? Wie viel noch?
Es mag an den Pausen gelegen haben, erzählte Marie, die sie immer öfter einbaute, sodass das Gehirn mehr Zeit hatte, um das Sättigungsgefühl
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