Yoga Bitch
ausgekramt hatte. Die beiden bekamen sich fast in die Haare deswegen.
»War die Jesus-Diät nicht 2005 angesagt? Ist die nicht längst out?«, fragte Polly.
»Wie kann Jesus denn out sein?«, entgegnete Rosa und verlangte nach dem Saft des Heilands.
»Aber warte mal. Brot?! Etwa Weißbrot?!«, rief Polly. Es folgte ein Moment der furchtvollen Stille, während ich Rosa Wein einschenk-te. »Was ist mit deiner Maxime ›Je weißer das Brot, umso schneller der Tod‹?«
»Es ist so: Nach meinen Budokon-Stunden habe ich Heißhunger auf Weißbrot. Nichts anderes macht mich satt. Und da ich sonst nur Fisch esse und, ja, ich gebe es zu, etwas mehr Fleisch als Jesus, geht das in Ordnung.«
»Vielleicht solltest du mit Budokon aufhören. Ich meine: Weißbrot …«, sagte Polly, während sich eine Sorgenfalte auf ihrer Stirn abzeichnete.
»Was ist denn Budokon?«, fragte ich, etwas am Thema vorbei.
»So ’ne Mischung aus Kampfsport, Yoga und Meditation. Macht Jennifer Aniston auch«, sagte Alev.
»Was macht Jennifer Aniston bitte schön nicht?«, fragte Sophie.
»Weißbrot essen«, sagte Polly, ohne einen Hauch von Ironie.
*
Ein ganz schönes Gezicke wegen etwas Weißbrot. Weißbrot zu nehmen, war unter ernährungsinformierten jungen Damen aber auch fast so, als griffe man nach der Pfote Satans. Die, die zum Brotkorb griff und Weißbrot nahm, setzte ein Zeichen. (Erstaunlich viele rechtfertigten sich übrigens dabei: »Das ist mir jetzt egal, es dauert so ewig, bis das Essen kommt, ich habe den ganzen Tag nichts gegessen«, statt einfach ein Stück Brot zu nehmen und den Mund zu halten.) Wenn man Weißbrot aß, war das ein Statement: Man verweigerte sich dem Diätwahn oder hatte gerade aufgegeben. (Oder machte die Jesus-Diät.) Seit ungefähr Mitte der 90er-Jahre, als die erstaunlichen Erfolge von Atkins die Runde machten, schön dokumentiert durch Stars wie – schon wieder – Jennifer Aniston, deren Karriere endlich durchstartete, nachdem sie mit Atkins 30 Pfund abgenommen hatte, waren Kohlenhydrate die bad guys . Nudeln, Kartoffeln, Bananen waren plötzlich schlecht, Speck, Eier, Fleisch galten hingegen als gut, zumindest wenn es um Gewichtsverlust ging.
Die Vorboten hatten sich schon länger angekündigt, und sie kamen natürlich aus den USA. Als meine Mutter in den 60er-Jahren zum ersten Mal ein »Breakfast in America« genoss, gab es zum Frühstück »Arterienverstopfzeug«, wie sie es nannte: Speck, Eier, Würstchen, dazu in schicken kleinen Schalen eine Vielzahl bunter Pillen, die einem Vitamine und Mineralien zuführen sollten. Ein typisches Atkins-Frühstück sieht nicht anders aus. Und wer abnehmen möchte, liegt damit nicht schlecht: Eine Studie des International Journal of Obesity besagt, dass das Frühstück den Stoffwechsel für den Rest des Tages bestimme. Wer morgens Kohlenhydrate zu sich nimmt, gebe dem Körper das Signal, auch im Tagesverlauf nur Kohlenhydrate zu verwerten und die Fettreserven relativ in Ruhe zu lassen. Ein fettreiches Frühstück indes rege den Körper dazu an, Kohlenhydrate und Fette abzubauen und somit schlanker zu werden. Doch diese Zahlen beruhen auf Tierversuchen mit Mäusen. Kann man also darauf vertrauen?
Das Problem mit Atkins ist Folgendes: Es ist die effektivste Diät, aber sie nervt. Dass es die effektivste Diät ist, beweist eine Studie der Stanford University aus dem Jahr 2007. [4]
Dass es nervt, weiß jeder, der zwar mit Atkins abnimmt, aber Mundgeruch und schlechte Laune hat und sich nicht vorstellen kann, den Rest seines Lebens auf Nudeln zu verzichten, denn so funktioniert Atkins und in abgeschwächter Form auch seine Variationen, die South-Beach-Diät, die Hollywood-Diät und auch Dukan.
Was die ganze Sache noch komplizierter machte, waren die widersprüchlichen Informationen über Nahrungsmittel. Alle einigermaßen gebildeten Frauen über 20 (ach was, über 12) sind heute Ernährungsexpertinnen und wissen sehr viel mehr über das Thema als alle Generationen vor uns, aber sie lesen auch ständig etwas Neues, das einer vorherigen Studie widerspricht. Was sollten sie denn glauben? Schokolade solle man lieber nicht essen, hieß es, zumindest, wenn sie nicht mindestens 70 Prozent Kakao ent-hielt. Oder? Aber stand nicht auch irgendwo, dass Schokolade gut fürs Herz sei und den Blutdruck senke? Enthielt sie nicht sogar mehr Antioxidantien als Blaubeeren? (Antioxidantien sind wie jene Schauspielerinnen, deren Namen man kennt, die man aber noch nie in einem Film,
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