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Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danijela Pilic
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wie ein richtig nerviger Wecker, der einem ansagt, dass es jetzt höchste Zeit ist, sein Leben zu ändern. Snooze-Option? Gibt’s nicht.«
    Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Schließlich hatte der letzte Streik meines Körpers (in Form des eingeklemmten Ischiasnervs) mich endgültig dazu angetrieben, etwas für ihn zu tun. Doch Pollys Entschluss – denn das war aus der zaghaft ausgesprochenen Idee inzwischen geworden – war wesentlich radikaler und schien von Tag zu Tag eine klarere Form anzunehmen. Sie war einige Wochen krankgeschrieben, die sie nutzen wollte, um zu entspannen, zu »detoxen« und einen Plan aufzustellen. Sie strahlte, wie nach dem Ende einer schon lange kaputten Beziehung, Hoffnung und Freiheit aus.
    »Was haltet ihr eigentlich davon, dass ich Yoga unterrichten will?«, fragte sie Rosa und mich.
    »Ja … toll … schön … gute Idee«, drucksten wir herum.
    »Begeisterung hört sich aber anders an«, sagte Polly.
    »Ich finde es gut, dass du kündigst. Aber willst du wirklich Yoga-Lehrerin werden? Ich meine, Yoga hat dir als Ausgleich gutgetan. Aber wenn nun Yoga dein Beruf wird, wo suchst du dann Ausgleich?«, fragte Rosa.
    »Den brauche ich dann gar nicht mehr«, antwortete Polly und lächelte.
    Was Rosa und ich ihr nicht sagten, war, dass wir Angst hatten, Polly könne ein nerviger Yogi werden.
Nervige Yogis
– hören Shanti-Musik und singen dabei gerne mit.
– tragen Jünger-Couture: Beads, Batik, Hanfblusen, an Feiertagen auch mal orangefarbene Kutten.
– sind oft militante Veganer.
– oder Hobby-Inder.
– sagen Namasté statt Hallo.
– wollen einen ständig zwischen den Augen berühren.
– bieten einem statt Kaffee Yogi-Tee an.
– können sich unheimlich gut verbiegen, viel besser als man selbst, und das nervt.
– haben einen Guru/Meister/Ober-Yogi als Leitfigur und beten ihn oder sie bedingungslos an, was ziemlich sektenmäßig ist.
    Wir hatten ein bisschen Angst, dass Polly so enden könnte, und wir sie irgendwann ohrfeigen würden. Sie zeigte jetzt schon nervige Yogi-Ansätze, zum Beispiel aß sie mit zunehmendem Yoga-Treiben immer weniger Fleisch. Andererseits waren wir uns einig, dass sie etwas in ihrem Leben ändern müsste, wenn sie so unglücklich und gestresst war. Es war gut, dass sie einen klaren Schnitt riskierte. Und immerhin: Wenn man sich die Statistiken ansah, war Yoga-Lehrer ein durchaus krisensicherer Job.
    Mir fiel auf, wie viele Menschen sich Yoga zugewandt hatten, als sie sich in einer Krise befanden, sei diese Krise körperlich oder physisch, um Thomas Häßler zu zitieren. Da war immer ein Scheideweg im Hintergrund und oft fiel der Satz »So ging das nicht weiter«. (Außer im Fall meiner Mutter, die aus Eitelkeit anfing und darauf pfiff, dass Yoga in den 80ern als merkwürdig angesehen wurde.) Die meisten Yogis sagen, dass sie sich »an einem traurigen Ort« befanden, als sie begannen, sich in den Hund oder Baum zu werfen. Yoga ging also fast immer eine Sinnsuche voraus. Ich fragte Polly, warum sie damals angefangen habe.
    »Ich hatte Probleme mit meinen Eltern, ich wusste nicht, ob ich in Berlin bleiben sollte, eine Beziehung ging kaputt … Es kam viel zusammen.«
    »Und warum bist du dabei geblieben?«
    »Ach, ich wusste gleich, ich würde das immer machen. Komische Geschichte: Die erste Stunde ließ mich ziemlich unbeeindruckt. Ich fand’s ganz nett, aber mehr auch nicht. Als ich mir aber ein paar Stunden später ein Marmeladenbrot machte, fiel es mir auf den Boden, und zum ersten Mal in meinem Leben landete es nicht auf der Marmeladenseite. Es kam mir so vor, als ob es seit Monaten das ers-te Mal gewesen wäre, dass ich Glück gehabt hatte. Ich war so glücklich in diesem Moment und dachte: Yoga. Geil. Marmeladenbrot. Yoga. Yoga. Das machst du jetzt für immer.«
    »Du dachtest also, das Yoga hätte das Marmeladenbrot beeinflusst?«
    »Ich hab’ ja gesagt, dass es eine komische Geschichte ist. Manchmal spinne ich, kennst mich doch. Ich brachte irgendwie Yoga wegen dem Marmeladenbrot mit Glück in Verbindung.«
    »Und dann? Musstest du dich je wieder zwingen hinzugehen?«, wollte ich wissen.
    »Nein. Das Gefühl, das ich nach dem Yoga bekam, machte mich süchtig. Es war wirklich das beste natürliche High, das ich je erlebt hatte.«
    Es war klar, dass Yoga für Polly mehr war als nur ein paar Stunden Sport in der Woche. Doch wenn sie sich tatsächlich für den Yoga-Weg entscheiden sollte, dachte ich, würde sie wohl je wieder von der

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