Yoga Bitch
Sie Buch über Ihre Erfahrungen.«
Eine Woche Fasten, auf Kosten der Chefin? Na klar. Ich wollte schon immer mal fasten, und jetzt musste ich es sogar tun und konnte es sogar abrechnen. Alles für den Job!
*
Als ich aus der Besprechung kam, hatte ich eine Nachricht von Sophie auf der Mailbox:
»Melde dich. Polly hatte einen Hörsturz und liegt im Krankenhaus.«
Ich rief sofort zurück.
»Scheiße«, sagte ich.
»Das musste ja so kommen. Der ganze Stress …«
»Oh Mann. Was passiert denn jetzt?«
»Na, erst mal kriegt sie zehn Tage lang Infusionen. Hoffentlich geht das dann weg.«
Es ging bald weg, aber Polly war wie ausgewechselt: still und sehr erschrocken.
»Das hat mir echt Angst gemacht«, murmelte sie, als wir zwei Wochen später bei einer Tasse grünem Tee in ihrer Küche saßen.
»Was war denn der Auslöser für den Hörsturz?«, wollte ich wissen.
»Das ist beim Hörsturz schwer zu sagen. Bei mir hatte es keine körperlichen Ursachen.«
»Also Stress?«
»Hmm, sieht so aus.«
Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte sie: »Ich glaube, ich weiß, was ich jetzt zu tun habe. Ich muss kündigen. Der Job macht mich kaputt, und das ist es nicht wert.«
»Und was machst du dann?«, fragte Sophie.
»Erst mal ein Detox.«
»Und dann?«
»Ich habe keinen wirklichen Plan. Aber ich habe eine Idee. Na ja, es ist eher ein Wunsch, der eigentlich noch nicht spruchreif ist.«
»Jetzt sag’ schon.«
»Ich will Yoga-Lehrerin werden.«
8
»Der größte Fehler,
den die Jugend von heute hat, ist der,
dass man nicht mehr zu ihr gehört.«
Salvador Dalí
Was Polly mir über die Ursprünge von Yoga erzählt hatte, beschäftigte mich, also beschloss ich, die yogafreie Woche zu nutzen, indem ich ein bisschen darüber las, was ich da eigentlich so tat. Ich kaufte mir die Übersetzung der Bhagavad Gita, der Bibel der Hindus, eine der wichtigsten Schriften im Yoga, außerdem die Yoga-Sutras und fing an zu lesen. Die Bhagavad Gita stellt ein Gespräch zwischen Krishna, der Gottinkarnation, und seinem Schüler Arjuna dar. Als Dialog ist es nie langweilig, denn Arjuna ist ein bisschen schwer von Begriff und stellt allerlei Fragen, die Krishna weise und geduldig beantwortet. So sagt zum Beispiel Krishna zu Arjuna in Kapitel 2, Vers 49:
Handeln ist dem Yoga der Weisheit weit unterlegen, oh Arjuna! Nimm Zuflucht bei der Weisheit. Unglücklich sind die, für die die Früchte Motiv der Handlung sind.
Ups. Da fühlte ich mich aber angesprochen. Mein Motiv war sicher ein unlauteres (siehe Projekt Vanity). Und Krishna hatte absolut recht: Das konnte ja nur schiefgehen, denn entweder bekommt man die Früchte nicht oder nicht schnell genug, oder sie verderben, oder man will mehr oder schönere Früchte. Ach ja. So ist die menschliche Natur. Doch wenn Krishna über Yoga spricht, meint er meist Karma-Yoga. Die Bhagavad Gita unterscheidet sechs Aspekte des Yoga, die ein Ganzes bilden:
– Jnana-Yoga: Yoga des Wissens
– Raja-Yoga: Yoga der Geistesbeherrschung, Meditation
– Bhakti-Yoga: Hingabe an Gott
– Karma-Yoga: Yoga der (selbstlosen) Tat, des rechten Handelns
– Hatha-Yoga: Yoga der Körperschulung
– Kundalini-Yoga: Yoga der Energie
Hatha-Yoga war also der Überbegriff für alle Arten von körperlichem Yoga. Das Ganze ist unheimlich spannend und auch verwirrend, worauf der gute Arjuna in Kapitel 5, Vers 1 auch hindeutet:
Den Verzicht auf Handlungen rühmst Du, oh Krishna, und dann wieder Yoga. Sage mir endgültig, was von beiden besser ist.
Das war doch mal eine Ansage. Krishna windet sich ein bisschen, sagt aber, dass Yoga auf jeden Fall besser sei, als nichts zu tun.
Yoga ist besser als kein Yoga. So kann man es auch auf den Punkt bringen.
*
Die arme Polly war so bestürzt über das Warnsignal ihres Körpers, dass ihr Gesicht wie eine schlaffe Kniekehle aussah – ganz traurig. Sie konnte einem wirklich leidtun. Sie hatte sich jahrelang in einem neurotischen Umfeld überarbeitet und war in letzter Zeit so ausgebrannt gewesen, dass sie gar nicht dazu gekommen war zu hinterfragen, warum sie das alles eigentlich tat: ein inzwischen klassischer Ablauf von Burn-out. Der Spaß war ihr schon lange abhanden gekommen, die langen Nächte und die Deadlines waren ihr geblieben. Das Wort »Warnsignal« fiel in diesen psychosomatischen Zeiten immer, wenn jemand, der in einer stressigen Branche arbeitete, einen Hörsturz, eine Gürtelrose oder eine Allergie bekam. Polly sagte, das Piepen in ihrem Ohr habe sie »wachgepiept
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