Yoga Bitch
Strapaze einen guten Grund hat.‹ Einfach ist es nie.«
»Du meinst also, es bleibt immer eine Qual? Auch für dich?«
»Also, zum Surfen muss ich mich nie zwingen. Aber guck mal, du willst doch Yoga machen, sonst hättest du mich gar nicht gefragt. Du hättest die Ich-mache-es-wenn-ich-wieder-in-Berlin-bin-Masche
fahren können. Übrigens schreibt Murakami auch, er laufe, um Leere zu erlangen. Das klingt doch voll Yoga-mäßig, oder nicht?«
»Hmm.«
Wir schwiegen ein bisschen und blinzelten in die Novembersonne.
»Weißt, wo du hingehen könntest? In das neue Studio, wo die Uschi hingeht. Mei, die hat so an suppa Baddy.«
Das war mein Stichwort. Mina sprach nämlich eine ganz leichte bayrische Färbung, außer wenn sie sagte ›suppa Baddy‹. Oder ›Traumbaddy‹. Also fragte ich eingeübt: »Hat die Uschi an Traumbaddy?«
»Da kannst aber Gift drauf nehmen!«
»Sag mal, Mina, ich hab’ noch eine Frage an dich als schlankes Frauenzimmer.«
»Sag?«
»Wie viel von deiner Schlankheit schreibst du dem Sport zu und wie viel der Ernährung?«
Mina überlegte lange und legte die Praline weg, die auf der Untertasse lag.
»Du darfst die Gene nicht vergessen, die sind am allerwichtigsten. Doch egal wie gut die es mit einem meinen: Irgendwann muss man trotzdem anfangen, etwas zu tun. In meinem Fall ist es so: Ich treibe ziemlich viel Sport, aber ehrlich gesagt esse ich auch wenig. Ich könnte jeden Tag laufen, bloß wenn ich nicht aufs Essen achten würde, wäre ich nicht so dünn, wie ich bin. Und dann würde ich mich nicht wohlfühlen, und außerdem wäre mein Job viel schwieriger.«
»Du meinst wegen dem Fäschn-Mob?«
»Ja, aber auch wegen mir selbst. Ich könnte nicht die Klamotten tragen, die ich will. Auch wenn das oberflächlich klingt: Schlanksein ist Freiheit, das tragen zu können, was man will. Und das ist mir wichtig. Du, schau mal!«
»Ja?«
»Da kommt die Uschi, die fragen wir jetzt mal nach dem Yoga.«
*
Der Workshop »Körper-Kult und Schönheitsideale« fand in einem Loft im Münchner Süden statt, wo die Stiftung ihren Sitz hatte. Mit der Leiterin des Workshops, Frau Meyer, hatte ich im Vorfeld schon einige E-Mails ausgetauscht. Sie hatte mir den Sinn der Stiftung und die Herangehensweise der Workshops dargestellt: weg von der Überidentifikation mit neuen Schönheitsidealen, Thematisierung des Unterschieds zwischen Realität und Scheinwelt, die uns täglich von den Medien und der Gesellschaft vermittelt wird.
Mir erschien es sympathisch, dass sie nicht hysterisch-politisch-korrekt klang. Jedenfalls sah dieser Workshop nicht nur Diskussionen vor, sondern, »weil Schönheit nicht eine Kopfsache ist, sondern über Emotionen funktioniert«, auch interaktive Spiele, in denen die Mädchen ihren Körper besser kennenlernen sollten. Es würde auch einen Teil geben, in dem die Teilnehmerinnen hinter die Kulissen der Modewelt blicken konnten, sich professionell schminken und frisieren ließen und dann fotografiert wurden.
Sophie und ich kamen etwas früher an und wurden von Frau Meyer begrüßt, Typ – warum erstaunte mich das nicht – dicke Fröhliche. Während sie erzählte, wie der Tag ablaufen würde, beobachteten wir die Ankunft der circa 25 teilnehmenden Mädchen, die von ihren Eltern hergefahren wurden. Sie waren zwischen 9 und 14 Jahre
alt und sahen bis auf zwei, die für eine Schülerzeitschrift berichte-
ten, wie sich später herausstellte, genervt bis gelangweilt aus. Man sah ihnen an, dass sie »abkotzten«, weil sie das Wochenende wahrscheinlich lieber mit Teenie-Pilates, Chatten, Kalorientabellen-Aus-
wendiglernen und dem illegalen Download von Justin-Bieber-Songs verbracht hätten. Keines der Mädchen war essgestört, so eine Gruppe sei das nicht, sagte Frau Meyer, doch jedes Mädchen hatte mehrere Diäten hinter sich und empfand sich als »fett«. Die Eltern – meist die Mütter – hatten sie angemeldet, weil sie sich Sorgen um das Essverhalten und das Körperbewusstsein ihrer Töchter machten.
Außer Frau Meyer waren zwei Psychologinnen anwesend sowie eine Ernährungsexpertin, eine Sozialpädagogin und Eva de Chemarn, die Schauspielerin, die die Stiftung wohltätig unterstützte und heute einen Vortrag halten würde. Seltsam, ich sah ihr sofort an, dass sie Yoga machte. Sie hatte diesen federleichten Gang und ein etwas entrücktes Lächeln. Oder hatte ich irgendwo gelesen, dass sie Yoga macht? Ich wollte sie auf jeden Fall ansprechen und fragen, welches Studio sie
Weitere Kostenlose Bücher