Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danijela Pilic
Vom Netzwerk:
besuchte. Zunächst wurden Zimtschnecken und Amerikaner verteilt. Die Mädchen verzogen die Gesichter, doch alle nahmen ein Stück. Als der Korb bei der Schauspielerin ankam, zögerte sie einen Augenblick, nahm dann ein Stück Gebäck und inhalierte es. Wirklich: Es war ratzfatz verputzt.
    »Vorbildfunktionsgestört«, raunte mir Sophie zu.
    Nach einem kurzen, recht interessanten Diavortrag, den eine der Psychologinnen hielt und der »Schönheit im Wandel der Jahrhunderte« hieß, fragte Frau Meyer fröhlich: »Was denkt ihr über diesen Vortrag?«
    Schweigen.
    »Nun kommt schon, ihr müsst doch etwas …«, sagte Frau Meyer etwas weniger fröhlich.
    »Dass die Frauen früher fett waren«, sagte ein Mädchen.
    »Und dass die Männer das cool fanden«, sagte ein anderes, und dann folgte ein Durcheinander, das sich ungefähr so anhörte:
    »Nein, dass das, was wir heute schön finden, auch nur eine Phase ist und sich auch irgendwann ändern wird.«
    »Aber ich lebe nun mal heute, also in der Phase, in der schlank schön heißt. Soll mich das nicht tangieren?«
    »Ja genau, nur weil ich weiß, dass es auch mal anders war – was ändert das genau?«
    »Ich finde schon, dass mir jetzt klarer ist, dass Schönheit relativ ist und dass es vom Betrachter ausgeht.«
    »Du hast leicht reden. Du bist ja auch dünn. Da lässt es sich immer schlau daherreden, dass es auf die inneren Werte ankommt.«
    »Stimmt. Ich wurde so auf Facebook gemobbt, weil ich fett sei, dass ich gar nicht anders konnte als abzunehmen.«
    »Aber dünn ist doch nicht gleich schön.«
    »Nein, aber dick ist auch nicht schön. Was nützt es mir, dass es vor 200 Jahren mal als schön galt? Ich finde es jedenfalls nicht schön.«
    »Aber gerade du siehst doch Essen als Feind, als etwas Negatives. Dabei brauchen wir Essen, sonst könnten wir gar nicht überleben. Essen ist nichts Schlechtes«, sagte die Schülerzeitungsstreberin.
    »Aber jeder weiß doch, dass wir heute zu viel essen.«
    Und so weiter. Irgendwann schaltete sich Frau Meyer ein: »Das gängige Schönheitsideal der …«
    »Ach, Sie blöde Kuh. Sie sind doch nur frustriert, weil Sie fett sind. Das ist doch alles nur Show. Wenn Sie könnten, wären Sie sicher auch lieber schlank«, sagte ein dünnes blondes Mädchen, das bisher geschwiegen hatte. Sie war selbst erschrocken über das, was sie gesagt hatte. Frau Meyers sang froid war bewundernswert.
    »Das stimmt, ich würde gerne zehn Kilo weniger wiegen. Doch das würde total gegen meine Gene gehen. Das heißt, ich müsste die ganze Zeit hungern, um wie ein Körpertyp auszusehen, der nicht meiner ist. Das würde mein ganzes Leben beeinträchtigen, also habe ich mich dagegen entschieden.«
    »Vielleicht haben Sie einfach nicht genug Disziplin«, sagte das dünne blonde Mädchen.
    »Oder ich habe einfach keinen Bock auf Stress.« Frau Meyer hatte den Jugend-Slang erstaunlich gut drauf. Später, als ich mich mit ihr in der ersten Kaffeepause unterhielt, sagte sie: »Sie glauben gar nicht, wie gestört manche dieser jungen Mädchen sind.«
    »Doch, ich glaube schon, nach dem, was ich gerade gehört habe.«
    »Ach, das war doch gar nichts. Die Gruppe heute scheint mir ganz in Ordnung zu sein«, sagte sie und biss in eine Zimtschnecke. Sophie sprach währenddessen mit einigen Mädchen.
    »Meinen Sie, dass wir schuld sind? Beeinflussen wir die Jugend so sehr, dass sie gar nicht anders kann?«, fragte ich.
    »Ach, ich weiß nicht. Die Jugend verehrt nun mal blind ein Ideal und will auf keinen Fall anders sein. Ich glaube, das war schon immer so. Ich glaube auch, dass die Menschheit, vor allem der weibliche Teil, sich greift, was sie kriegen kann, um sich schöner zu machen. Es ist nur so, dass sie sich immer mehr und mehr greifen kann, und die wenigsten können noch widerstehen. Ich frage mich, ob der Schuss nicht irgendwann nach hinten losgeht.«
    Dann war die Schauspielerin mit ihrem Vortrag an der Reihe. Sie sprach über den Druck, immer schön sein zu müssen.
    »Ja, der Druck ist groß«, flüsterte mir Sophie zu. »Ich war gerade auf der Toilette neben ihr und hörte, wie sie den Amerikaner wieder rauskotzte.«
    »Nein!«, sagte ich etwas zu laut. Alle Augen starrten mich gespannt an.
    »Schon gut«, sagte ich, doch Eva de Chemarn ließ es nicht auf sich beruhen.
    »Sind Sie damit nicht einverstanden?«, fragte sie und zog ihre linke Augenbraue filmstarmäßig hoch. Das wunderte mich, denn der Rest ihres Gesichts war von Botox nahezu paralysiert.

Weitere Kostenlose Bücher