Yoga Bitch
modelähnlichen, sanft lächelnden Empfangswesen sicher und selbstbewusst gegenübertreten. (Ich musste mir neue Yoga-Fummel kaufen, weil ich meine nicht mit nach München genommen hatte. Doch selbst wenn ich sie mitgenommen hätte, hätte ich mir trotzdem neue gekauft. Es war schließlich München, ich war fast noch nervöser als vor meiner ersten Yoga-Stunde in Berlin und ich wollte gut aussehen bei dieser ersten Wiederbegegnung zwischen Yoga und mir. So war ich eben: Wenn ich fand, dass ich gut aussah, fühlte ich mich auch sicherer.)
Die bayerisch-berlinerische Währungsumrechnung machte auch vor dem Om nicht halt. Ich war gerade dabei, den Preis von drei Stunden in Berlin für eine München-Probestunde zu bezahlen, da hörte ich eine freundliche Stimme hinter mir.
»Ja Servus!« Es war Uschi, die mit dem Traumbaddy .
»Hallo Uschi, was machst du denn hier?« Ich freute mich wirklich, ein bekanntes Gesicht zu sehen, so als wäre ich die Neue im Kindergarten.
»Du moanst, weil’s Besik ist? Ach, des ist mir wurscht, ich hab’ heute die Supersession nicht geschafft und fühle, dass ich heute Yoga machen muss, weil sonst flipp ich aus. Ach, das freut mich ja, dass du’s geschafft hast.«
»Sag mal Uschi, kommt die de Chemarn auch hierher?« Ich hatte nämlich gar keine Lust, ihrer Botox-Visage zu begegnen. Das würde mir die Stunde total vermiesen.
»Ach Schmarrn, die hat doch an Pörsonal Träner von hier. Die würd’ sich doch nie in ’ne Gruppe stellen. Ich glaub’, des machen nur Schauspielerinnen in Berlin. Jetzt komm, es geht gleich los!«
Ich fühlte mich durch Uschis Anwesenheit angenehm stabilisiert. Hätte ich diesen Raum alleine betreten, hätte mich die Anzahl der Traumbaddys sofort wieder nach hinten durch die Tür geschleudert. Ehrlich, ein suppa Baddy neben dem anderen. Das Interessante an diesen sich dehnenden und miteinander schnatternden Mädchen und Frauen – es waren überhaupt keine Männer da – war, dass sie alle wie Partygirls aussahen. Ich war immer ganz gut im Erkennen von Gleichgesinnten.
Als der Lehrer den Raum betrat, hörte das Geschnatter sofort auf. Na Servus – der war aber auch eine Erscheinung. Jeder Muskel saß perfekt, und sein Gesicht … Oh Gott, alle waren in ihn verknallt. Wie Groupies, natürlich! Und ich auch, sofort! Aber nicht auf eine körperliche Art – ich begehrte ihn als Guru. Er war so asexuell wie ein Engel. Das Om sang er in Eunuchenstimme, doch wenn er redete, schien er nur mit mir zu sprechen und genau zu merken, wann meine Motivation und Konzentration nachließ, und ging darauf ein. Alles, was er sagte, klang stimmig. Ich war wieder voll im Yoga-Rausch.
Anschließend trank ich mit Uschi noch einen Yogi-Tee an der Bar. Sie erzählte mir, Julian sei der »Pörsonal Träner von der de Chemarn«. Ich konnte die alte Zicke gut verstehen. Wenn ich sehr viel Geld hätte, würde ich mir eine Wohnung in München mieten und mir jeden Tag eine Einzelstunde mit Julian leisten oder ihn alternativ einfliegen lassen.
»Sag mal, was sind das alles für Mädchen, die hier üben?«, fragte ich und fügte schnell hinterher. »Das interessiert mich so als Vergleich zu Berlin. Sind alle Münchner Studios so schick?«
»Na, das ist schon das schickste. Aber ich sag dir, ich hab’ schon einige ausprobiert, und das hier, obwohl’s das teuerste ist, lohnt sich. Die haben einfach die besten Lehrer. Und die best aussehendsten. Des motiviert mich irgendwie. Und was die Mädels hier angeht, kenn’ ich die meisten nur vom Sehen, vom Feiern halt.«
Uschi war, das wusste ich, eine Party-Nudel, und das Publikum in diesem schicken Münchner Yoga-Studio bestätigte mir die Existenz einer neuen Spezies, die ich schon länger vermutet hatte, weil meine Freundinnen und ich auch dazuzählten: die Lebenswandel-Schizos.
Lebenswandel-Schizos
– führen zwei oder mehrere parallel existierende Lebensweisen. Eine ist überaus auf Gesundheit fixiert, die andere auf Hedonismus. Die LW-Schizos hoffen insgeheim, dass sich die beiden ausbalancieren.
– buchen sich nach einer besonders harten Party-Saison gerne im Spa ihres Vertrauens ein, um zu detoxen und die Sünden reinzuwaschen (siehe Kate Moss und das Chiva-Som in Thailand). Die, die weniger Geld haben, machen alternativ 100 Stunden Bikram und strenge Diät. Die Phase des Cleanseins kann ganz schnell zu Ende sein: weil sie dann nämlich ein Glas Rotwein so umhaut, dass sie wieder total abstürzen.
– rechnen (wie die
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