Yoga Bitch
bei der ich 2 Zentimeter Bauchumfang verlor, lud ich Alev auf einen Kaffee ein. Dabei verriet sie mir ihren Hochzeitstermin.
»Es ist der 29. Mai«, sagte sie.
Glücklich sah sie aber nicht aus.
»Das ist doch toll! Endlich ein Datum! Warum freust du dich nicht? Was ist denn los?«, wollte ich wissen.
»Ach, wir streiten uns die ganze Zeit. Ich komme mir vor wie ein Bridezilla, aber das muss ich sein, weil er nichts macht. Er schafft es nicht einmal, seine Einladungsliste zusammenzustellen, seit Wochen schon nicht.«
»Aber ihr wollt doch heiraten?«
»Ja, das dachte ich auch. Ich meine, das denke ich auch jetzt noch. Aber seit er mir den Antrag gemacht hat, nein, eigentlich seit wir die Hochzeit planen, geht es bergab mit uns, habe ich das Gefühl«, sagte Alev und wurde ein bisschen blass.
Ping! Eine E-Mail von Polly kam an, eine willkommene Zerstreuung, denn Alev wollte sie unbedingt lesen:
In den letzten Tagen bin ich viel durch die Stadt gefahren und habe die Menschen hier beobachtet und wie normal sie mit ihren falschen, aufgetunten Körperteilen umgehen. Erinnerst Du Dich noch an den Film L.A. Story , mit Steve Martin und Sarah Jessica Parker, ich glaube so aus den frühen 90ern? Den haben wir mal zusammen gesehen, oder? Sie spielt seine junge Midlife-Crisis-Tussi, und als er zum ersten Mal ihre Brüste anfasst, sagt er: »Die fühlen sich aber komisch an«, und sie sagt: »Das kommt daher, weil sie echt sind.« Das war damals lustig und schräg und überzogen, selbst für LA-Verhältnisse. 20 Jahre später ist das hier absolut kein Witz mehr. Ich war mit Angie auf einer Party und wir waren unter 20 Frauen die Einzigen, die keine gemachte Nase oder Brüste hatten. Ich kam mir ganz toll und exotisch vor.
Ich war auch bei dem »toughesten Yoga-Kurs der Welt«. Das wollte ich mir mal anschauen, vor allem, weil mich eigentlich das Statement abgeschreckt hat, alle ihre Posen würden auf westlicher Wissenschaft basieren und ihre Art von Yoga würde, anders als andere, die traditionellen Verrenkungen pflegen, einen wirklich stärker machen. Was soll ich sagen? Es war ein totaler Drill und ein unglaublich gutes Work-out, bis ein Handy mitten in der Stunde klingelte. Die Frau, der das Handy gehörte, entschuldigte sich nicht etwa oder schaltete es aus, sondern ging ran und rief genervt in den Hörer:
»Why the fuck you callin’ me? I’m in fuckin’ yoga!«
Ohne Worte, echt. Übrigens: Meine Shmandypants sind super, aber anscheinend last season. Jetzt braucht man die von Lululemon.
Heute aß ich alleine in einem Café und habe Euch so vermisst. Am Nebentisch saßen zwei Freundinnen, und die eine sagte ganz fertig zur anderen: »Ich habe gestern Kohlenhydrate gegessen.« Dabei sah ich eine Träne unter ihrer Sonnenbrille herunterkullern. Die spinnen, die LA Women. Dagegen sind wir normal. Fast.
Angie hat mich übrigens mit Beauty Sleep Drinks angefixt. Ich trinke jetzt jede Nacht einen vor dem Schlafengehen. Da sind Valerian und Melatonin und Grüner-Tee-Amino-Acids drin, und eine Flasche kostet 5 Dollar, aber ich schlafe so viel besser und sehe morgens total frisch aus. Vielleicht kommt das aber auch von der guten LA-Luft, haha.
Ich freue mich auf meinen Kurs, der nächsten Montag beginnt.
Vermisse Dich, Polly xx »Och, ist das süß«, sagte Alev.
»Ja, ihre Mails sind super. Du, hör mal, wegen der Hochzeit …«
»Ja?«
»Ihr heiratet für euch und für niemanden sonst. Ihr müsst einen Weg finden, euch beide darüber zu freuen. Macht genau das, was euch passt, okay?«
»Okay.«
In der Arbeit dachte ich über LA nach, Pollys neues Zuhause und auch darüber, ob sich die dortige Atmosphäre langfristig auf ihr Schönheitsempfinden auswirken würde. In ihrem Buch Body Work: Beauty and Self-Image in American Culture vertritt die Autorin Debra Gimlin die Ansicht, dass der weibliche Körper, an dem seit vier Jahrzehnten aktiv gearbeitet wird, zu einem Kulturmedium geworden sei, an dem sich unter anderem gesellschaftliche Merkmale erkennen lassen. Gimlin schreibt, dass der Körper inzwischen im Fokus der Soziologie stehe, sei schon an der Flut von Büchern zu dem Thema abzulesen. Die Arbeit, die man in den Körper stecke, so Gimlin, werde zur Arbeit am Selbst. Weil eine Frau als sehr unweiblich oder asozial gesehen werde, wenn sie nicht an ihrem Aussehen interessiert sei, tue sie, was sie könne, um ihn verbessern. Wie Frauen aussehen, werde zum Symbol für ihren Charakter und sogar für ihr gesamtes
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