Yoga Bitch
weiß, dass sie falsch sind! Das »How’ya doin’ sweetie«, obwohl niemand die echte Antwort hören will. Das »You look great, I love your hair«-Quäken (sehr Chihuahua-mäßig übrigens), auch wenn sie gar nicht genau hingesehen haben. Mir tut das im Moment genauso gut wie die Sonne. Ach ja, die Sonne: Sie scheint eine Art Symbol für die schizophrene Ausrichtung der LA Women zu sein. Einerseits haben sie panische Angst vor Falten und laufen teilweise mit Zinkstreifen auf der Nase herum, andererseits scheint ihnen eine tiefe Bräune auch sehr, sehr wichtig zu sein. Wenn ich wegen etwas schief angesehen werde, dann ist es wegen meiner Blässe, denke ich.
Es sind noch zwei Wochen bis zum Beginn der Ausbildung, und die verbringe ich mit Herumfahren und dem Auschecken anderer Yoga-Studios. Das Angebot ist unglaublich: Ich habe gegoogelt und auf einen Schlag über 80 Studios in LA gefunden. Du würdest durchdrehen bei dem Überangebot, es gibt wirklich alles. Gerade war ich auf der Webseite einer Yoga-Schule, die die Yogis bittet, Handys, Pagers und Sorgen draußen zu lassen, doch wenn man unbedingt erreichbar sein muss, kann man an der Rezeption Bescheid sagen. Ich meine, können die nicht einmal zwei Stunden nicht erreichbar sein? Diese Schule hat ein Trademark, und zwar haben die sich den Ausdruck schützen lassen: »Toughest Yoga Class on Earth.« Da müssen sie wohl total stolz drauf sein. Wahrscheinlich zieht das in LA besonders gut. Übrigens machen da auch Renee Zellweger und Penelope Cruz Yoga und empfehlen es wärmstens. Anfängern wird geraten, sich fit zu machen, bevor man in die Yoga-Stunden kommt. Das werde ich mir auf jeden Fall anschauen. Doch zuerst muss ich mir Shmandypants kaufen gehen. Ohne die, sagt Angie, könne ich mich in den hippen Kursen gar nicht blicken lassen.
Vermisse Dich, Love xx Polly
Shmandypants! Das hörte sich interessant an und genau nach der Art von Yoga-Candy, wie ich es haben will. Leider hatte ich bereits zu viel in den Sutras gelesen, um den Spagat zwischen meinem niederen und meinem göttlichen Selbst zynisch wegzulachen. Gemäß den Sutras gibt es fünf Kleshas, also fünf Arten von Schmerz, Kummer oder Leid, die den ruhigen Geist stören können. Sie heißen Avidya (Unwissenheit), Asmita (Egoismus), Raga (Anhaftung), Dvesha (Abneigung) und Abhinivesha (Furcht).
Ich glaubte nun zu verstehen, welches Klesha mich am meisten beeinträchtigte, nämlich das Raga, was dem Wunsch der Bedürfnisbefriedigung, des Festhaltens auch von Glücksgefühlen entspricht. Raga äußert sich zum Beispiel in Konsum- oder Suchtverhalten.
Manchmal hilft es unheimlich, vor allem im Januar, einem diffusen Gefühl einen Namen geben zu können. Gegen mein Raga, das wusste ich, half nur Yoga. Und natürlich sagen die Sutras, dass Yoga alle Kleshas lindere. Überhaupt, was stellte ich mich so an? Im Slum von Nairobi wären sie froh, so eine Yoga-Studio-Auswahl zu haben. Yoga: GABA ankurbeln und die Wahrnehmungslinse putzen und zufrieden im Jetzt gegen das Raga meditieren.
Zu Bikram konnte ich mich nicht noch einmal durchringen, auch, weil man danach die Klamotten kochen musste, um sie sauber zu bekommen. Also ging ich wieder zu YoYo-Yoga und in eine von Janas Stunden. Als ich ankam, war die Halle Sardinendosen-Rimini-Strand-voll. Klar, es war Januar und auch der angehende Yogi kann sich der westlichen Vorsatz-Mentalität nicht erwehren. Ich sah viele neue, nervöse Gesichter, dazwischen viele bekannte und ganz hinten das allen bekannte Gesicht einer Soap-Darstellerin. Ich kam ums Verrecken nicht auf ihren Namen, also nennen wir sie Alexis. Dann folgte der nächste Schock: Janas Bauch war kugelrund. Sie war schwanger! Natürlich sah sie nicht aus wie ein Wasserturm, sondern nur so, als hätte sie einen Ball verschluckt. Oh nein, jetzt, wo ich wiederkomme, ist sie schwanger! , dachte ich und schämte mich sogleich für meinen egoistischen Asmita-Gedanken. Doch man konnte sich ausrechnen, dass Jana bald nicht mehr unterrichten würde, und das würde meine Yoga-Suche zusätzlich erschweren, denn bis jetzt hatte ich immer wieder auf Jana zurückgreifen können.
Ich war steif, aber trotzdem fühlte sich jede Wiederholung gut an, wie eine lange benötigte Leere. Ich konnte erstmals gewisse Muskeln mit dem Atem erreichen. Sobald ich mich darauf konzentrierte, war es weg, doch es klappte ein paarmal ganz von selbst. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Alexis, denn es war offensichtlich, dass sie
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