Yoga ist auch keine Lösung (German Edition)
die Dämmerung hereinbrach und sie fröstelte, entschied sie sich, nach den Zugverbindungen nach Frankfurt zu sehen. Im Bahnhofsgebäude wäre es zumindest wärmer, als im Zoo. Für April war es zwar ein angenehmer Frühlingstag, aber sobald die Sonne unterging, kühlte es merklich ab.
Außerdem saß sie bereits seit über zwei Stunden auf dieser Bank am Eingang, ohne sich überhaupt bewegt zu haben. Im Grunde war es eine dumme Idee gewesen, hierherzukommen. In jedem Café wäre sie besser gesessen.
Lena stand auf und verließ den Zoo. Die Laternen erhellten bereits die Straßen und die hereinbrechende Nacht ließ sie sich noch verlorener fühlen.
Fünfzehn Minuten später erreichte sie den Bahnhof, ging an der Ostseite hinein und suchte auf der Anzeigentafel die nächsten Züge nach Frankfurt. Zwei Züge kämen in Betracht. Der um 22:40h und auch der um 0:12h. Die Verbindung um kurz vor 22:00h wäre zwar die schnellste, aber dann käme sie morgens um vier Uhr in Frankfurt an. Außerdem musste sie noch vorher in Rons Wohnung schleichen, um wenigstens den Laptop mitzunehmen. Vielleicht wäre die Verbindung um 4:30h sogar noch besser, dann würde Ron auf jeden Fall schlafen und sie könnte nicht nur den Mac, sondern auch einige Dinge aus dem Badezimmer holen. Wach werden würde er auf keinen Fall. Neben Ron könnte man ein Feuerwerk zünden und er würde nicht davon aufwachen.
Während Lena den Bahnhof verließ, grübelte sie darüber nach, wie sie die verbleibende Zeit totschlagen könnte. Es war noch kälter geworden, und Lena schlang die Arme um sich, als sie bemerkte, dass sie den Bahnhof zur Westseite hin verlassen hatte. Bis auf ein paar parkende Sprinter lag die Straße ruhig da. Lena bog links ab, um durch die Unterführung wieder auf die andere Seite zu kommen. Dort hatte sie einen Burger King gesehen. Der Gedanke, alleine in einem Restaurant oder Café zu sitzen, setzte ihr zu. In einem unpersönlichen Fast-Food-Laden eine Tasse Kaffee zu trinken, wäre leichter zu ertragen.
Lena ging an einem UPS-Sprinter vorbei und hörte plötzlich eine Frau schreien. Mit schnellen Schritten eilte sie auf die Stelle zu, von der sie meinte, die Rufe gehört zu haben und erschrak. Ein junger Kerl mit hochgeschlagenem Kragen und einer Schildmütze zerrte an der Handtasche einer älteren Frau. Bevor Lena eingreifen konnte, schubste der Junge die Frau zu Boden und entriss ihr die Tasche.
»Meine Tasche«, rief die am Boden liegende Frau und versuchte aufzustehen.
Auf einem Skateboard, das Lena bisher gar nicht entdeckt hatte, raste er in entgegengesetzter Richtung davon.
Lena stoppte ihren Lauf direkt vor der grauhaarigen Dame. Deren vormals hochgestecktes Haar hing schlaff zur Seite. »Sind Sie verletzt?« Lena ging in die Knie und reichte ihr die Hand.
»Dieser Mistkerl hat meine Tasche«, antwortete sie und sank zurück auf den Asphalt.
»Kommen Sie. Ich helfe Ihnen auf.«
Mühsam rappelte sich die Frau mit Lenas Hilfe auf. »Das ist eine Katastrophe«, jammerte sie und rieb sich über die rechte Hüfte.
»Sind Sie verletzt?«, wiederholte Lena ihre Frage. »Brauchen Sie einen Arzt?«
»Nein«, erwiderte die Dame. »Wie konnte mir das nur passieren?«
»So etwas kann jedem zustoßen. Bahnhofsviertel sind nie für ihre Sicherheit bekannt, oder?« Lena sah die Frau aufmunternd an. Für einen Moment war sie von ihrem eigenen Elend abgelenkt. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Den Dieb fangen«, meinte sie mit einem verbitterten Ton in ihrer Stimme. »In der Tasche befanden sich mein Zugticket, mein Geld und auch mein Flugticket.«
Lena zog die Stirn in Falten und dachte nach. »Sie sollten zur Polizei gehen und Anzeige erstatten.«
»Als ob die mir weiterhelfen könnten. Alles, was ich brauche, war in dieser Tasche.« Sie zögerte einen Moment. »Bis auf meinen Reisepass. Der ist im Schließfach, zusammen mit meinem Koffer.«
»Dann ist wenigstens nicht alles weg.« Lena führte die Fremde auf den Gehsteig. »Soll ich jemanden benachrichtigen?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Mein Sohn sitzt im Flugzeug nach New York und sonst kenne ich außer meiner alten Freundin in Berlin niemanden mehr.«
»Ich könnte Ihre Freundin verständigen.«
»Edith liegt in einem Pflegeheim. Ich komme gerade von ihr.«
Lena sah die Verzweiflung in den Augen der alten Dame und streckte ihr die Hand hin. »Lena Weishaupt«, stellte sie sich vor. »Und nun kennen Sie mich.«
»Maureen Walter«, erwiderte die Frau und drückte
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