Yoga und Vegetarismus
Wirkung. Drogenabhängige können intellektuell ihre Problematik sogar erfassen und sagen oft, dass sie aufhören wollen. Aufgrund der physiologischen und psychologischen Abhängigkeit können sie es aber nicht. Eine bessere Herangehensweise wäre es, an das Herz des Süchtigen zu appellieren. Das erfordert geschickte Kommunikation und beginnt mit der Fähigkeit zuzuhören. Man muss sehr vorsichtig sein, dass man Gewalttaten nicht durch Schuldzuweisung verurteilt. Dadurch entsteht keine bleibende Veränderung im Herzen eines Abhängigen. Wir müssen wirklich ans Herz appellieren und der Person helfen, tief in ihre Gefühlswelt einzudringen, um dorthin zu gelangen, wo ihr Wesen mit dem aller anderen Lebewesen in Verbindung steht. Genau das ist die Aufgabe eines Yogalehrenden.
Wir müssen tiefer gehen und die möglichen Gründe für das Verhalten der Person verstehen. Wenn Menschen eine „schlechte“ Tat begehen, glauben sie selbst, dass sie irgendetwas „Gutes“ aus dieser Handlung gewinnen. Hier müssen wir uns mitfühlend ansehen, welchen Vorteil die Person daraus zu gewinnen glaubt. Wir müssen sie im Ganzen und vollständig sehen und aus diesem Blickwinkel heraus mit ihr kommunizieren, in dem Wissen, dass ihre Gewohnheit, anderen zu schaden, aus einem tiefen Gefühl der Unvollkommenheit in ihr selbst resultiert. Wie müssen diese Avidya, den zugrunde liegenden Mangel an Selbstvertrauen und Selbstwert, zur Sprache bringen. Wir müssen die Ursachen ihrer Handlungen ergründen, und nicht nur die darüberliegenden Symptome ansprechen und verurteilen.
Ich erinnere mich an ein Interview mit dem Psychologen Marshall Rosenberg, in dem er seine Arbeit mit Gefängnisinsassen beschrieb, die wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurden. Dr. Rosenberg erzählte von einem Häftling, der nach einigen Sitzungen seine Geschichte zu erzählen begann. Wie in vielen Fällen von Kindesmisshandlung wurde der Gefangene als Kind selbst missbraucht. Als Rosenberg ihn nach seiner Kindheit fragte, beschrieb der Inhaftierte lebhaft die Grausamkeiten und das Trauma, die im zu dieser Zeit widerfahren waren. Er gab auch zu verstehen, dass all diese Ereignisse noch viel schrecklicher geworden waren, weil er seine Angst und seinen Schrecken niemandem weitervermitteln konnte. Jedes Mal, wenn er versuchte, all dies zu kommunizieren, musste er feststellen, dass die andere Person nicht verstehen konnte, was er beschrieb, weil sie nicht dabei gewesen war und nicht gefühlt hatte, was er fühlte. Dr. Rosenberg stellte dann die nahe liegende Frage: „Wenn die Geschehnisse so schrecklich für Sie waren, wie konnten Sie es dann anderen Kindern antun?“ Der Insasse antwortete: „Wenn ich die Angst und den Schrecken in den Gesichtern der Kinder sah, wusste ich, dass ich endlich jemanden gefunden hatte, der verstand, was ich durchgemacht hatte.“ 50
Wahrscheinlich könnte man all die Gewalt auf der Welt heutzutage als einen gescheiterten Kommunikationsversuch sehen. Wahre Kommunikation findet statt, wenn nicht nur einer versucht, sich selbst auszudrücken, sondern wenn beide Parteien einander zuhören und eine gemeinsame Ausdrucksmöglichkeit finden.
Erst durch Mitgefühl wird wahre Kommunikation möglich. Wenn wir als Aktivisten die Gewalt gegen Tiere stoppen wollen, müssen wir eine klare, langfristige, positive Lösung bieten, die alle Parteien zufriedenstellt. Wir können nicht nur die Fleischesser verurteilen und unsere Wut an ihnen auslassen. Das ist ein wichtiger Punkt, an den ein Aktivist denken sollte. Wir müssen uns über unsere Tendenz, alles in Gut/Böse, Gewinner/Verlierer und Opfer/Täter einzuteilen, hinwegsetzen. Unser letztes Ziel sollte sein, dass alle Beteiligten gewinnen: die Tiere, die früheren Ausbeuter der Tiere und wir selbst.
Yoga liefert praktische Methoden, um durch die Fähigkeit des Zuhörens zu kommunizieren, beispielsweise die yogische Praxis der Asanas – vor allem die Drehhaltungen. Sie sprechen auf der Gefühlsebene das Ego oder das getrennte Selbst an und bringen Bewusstsein in unsere Verdauungsorgane und die Prozesse der Nahrungsaufnahme zurück. Das kann alte und verborgene Gefühle der Wut, Depression oder schlechten Selbstbewusstseins aufrütteln, die sich unterschwellig in unseren Organen festgesetzt hatten. Durch die Asanapraxis kann man anfangen, die Ursachen für destruktive Tendenzen aufzudecken und die Spaltung zu heilen. Leute, die Fleisch essen, tun dies, um sich besser zu fühlen – um sich
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