You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
etwas zu sagen.“
E in Künstlerwird meist durch die Auftritte für seine Bemühungen entschädigt. Streitereien und taktische Überlegungen treten in dem Augenblick in den Hintergrund, in dem man von seiner Garderobe aus das gedämpfte Toben der Menschenmenge in einem Stadion hört. Für jeden Performer stellt dieser Moment das Lebenselixier dar: Es ist der süße Geschmack des Sieges, an den wir uns danach unser Leben lang erinnern und dem wir hinterherjagen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir als Kids, während der Zeit mit den Jackson 5, die ausverkauften Stadien wirklich schätzen lernten, doch beim zweiten Anlauf waren wir entschlossen, jede Sekunde und jedes Gefühl zu genießen und auszukosten. Tito fasste das schon am Anfang in einem Satz zusammen: „Es wird die Tour werden, die wir niemals beenden wollen.“
Das Schicksal schien uns wohlgesinnt zu sein, denn als wir vor unserem ersten Konzert bei den Taxiständen am Kansas City Airport standen, sprach mich der fröhlich wirkende Gepäckträger an: „Erinnerst du dich?“
Ich starrte ihn eine Sekunde lang verdutzt an: „Wesley?“
Es war der Catcher, mit dem ich zusammenstieß, als ich für die Katz Kittens in Gary spielte. Wie klein die Welt doch war. Wir verglichen unsere Narben über dem Auge. „Die Kollision beendete unsere Baseball-Karriere“, meinte ich. „Ich bin mir nicht sicher, ob Jackie dir vergeben hat.“
„Aus euch ist aber was geworden“, antwortete er mit einem Augenzwinkern. 1984 versprach ein von Nostalgie geprägtes Jahr zu werden. Alles war in Erinnerungen getaucht – sogar hinter der Bühne, denn wir achteten darauf, dass ein Disco-Club für die Crew und die Freude mit dem Namen Mr. Lucky’s eingerichtet wurde.
Am ersten Abend wünschten uns alle Bekannten aus der Musikindustrie viel Glück. Besonders Michael konnte prahlen, denn ihn erreichte ein Telegramm von Marlon Brando. An eine Zeile erinnere ich mich noch gut: „MICHAEL – MACH DICH BITTE NICHT ZUM ARSCH UND FALL UM HIMMELS WILLEN NICHT IN DEN ORCHESTERGRABEN – MARLON.“
In der Garderobe steckten wir die Köpfe zusammen, legten uns die Hände auf die Schultern und hörten das anschwellende Toben von 45.000 Zuschauern im Arrowhead-Stadion: „JACKSONS! JACKSONS! JACKSONS!“
Die Bühne lässt sich nur als monumental beschreiben – sie war vielleicht vier Stockwerke hoch, 24 Meter breit und wog 350 Tonnen. Doch die Menge erblickte zuerst nur einen eindrucksvollen Findling mit einem deutlich sichtbar aus diesem herausragenden Schwert und die Bilder zweier gigantischer Eichen an den Bühnenrändern. Kein weiterer Bühnenaufbau. Keine Instrumente. Keine Band. Michael wollte, dass zu Beginn alles versteckt bliebe, doch schon bald tauchte wie aus dem Nichts eine Art Stadt auf, und zwar nachdem Randy in der Verkleidung eines Ritters das Schwert aus dem Stein gezogen hatte, um Alien-ähnliche Wesen zu erschlagen. Als Nächstes begann die Klinge zu glühen und Funken zu sprühen, das Stadion wurde verdunkelt und Randy raste schnell nach unten zu einer Hebebühne, auf der wir uns aufgestellt hatten. Ich stand von der Bühne aus gesehen links uns hielt den Bass in der Hand, dann kamen Randy, Michael, Marlon und Tito an der Gitarre. Wir trugen alle Pilotenbrillen und standen leicht gebückt da, damit unsere Köpfe nicht über den großen Bühnenboden hinausragten.
Aus den Lautsprechern schallte eine dröhnende Stimme: „Erhebt euch, Menschen dieser Welt, und wohnt der Verteidigung des Königreichs bei!“
Wir hörten Schreie, die uns an früher erinnerten, und spürten die gleiche Euphorie.
„Alles bereit?“, fragte Michael und beugte sich vor.
„Los, wir werden die Menge zum Kochen bringen!“, schrie Marlon, gefolgt von Randy. Gigantische Flutlichter tauchten das Stadion von der Bühne aus in grelles Licht, während die Hebebühne langsam hochgefahren wurde und uns als Silhouetten, Statuen-gleich, zeigte. Nur meine Augen bewegten sich hinter der Sonnenbrille. Ich musste die unbeschreibliche Begeisterung auskosten, die ich angesichts dieses Meeres von Menschen empfand, die ihre Hände in die Luft streckten und Spruchbänder sowie Plakate hochhielten: „Wir haben dich gehört, Michael“ oder „J5“ oder „Jacksons = Victory“. Wir verharrten so lange wie möglich auf unseren Plätzen. „Lass sie zappeln“, hatte Michael gesagt. Die Erwartungshaltung sollte auf den Siedepunkt steigen. Bringe sie zum Wahnsinn. Es war sein erster Auftritt nach Thriller , und
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