You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
stellte er sich die Frau seiner Träume vor. Und bis ihm sein perfektes Gegenstück begegnete, tat er sich damit schwer, sich anderen Menschen zu öffnen.
Die britische Boulevardzeitung The Sun war es, die den Begriff „Wacko Jacko“ prägte. Michael fand diesen Spitznamen beleidigend; er war die Ausgeburt einer PR-Strategie, die darauf abzielte, seltsame, verrückte Geschichten über ihn in die Welt zu setzen. Michael betonte immer, dass er von dieser seltsamen Strategie nichts wisse, und ich glaube ihm. Bei Motown war es bei der Promotion nur um den Künstler und um seine Musik gegangen, und dementsprechend war er gar nicht auf andere Gedanken gekommen.
Die erste dieser Geschichten erschien im National Enquirer , zusammen mit einem Foto, das Michael scheinbar schlafend in einer Kammer für hyperbare Sauerstofftherapie zeigte, und die Schlagzeile lautete: „Geheimplan: Michael Jackson will 150 Jahre alt werden.“ Das Foto war echt. Die Kammer wurde im Brotman Memorial Hospital für Patienten mit Verbrennungen eingesetzt, und Michael konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich darin ablichten zu lassen. Nicht weil es zu seiner Behandlung gehörte, sondern nur, weil der Apparat so sehr nach Raumfahrtzeitalter aussah und er ein lustiges Foto haben wollte. Er legte sich für ein paar Sekunden dort hin, schloss die Augen und kreuzte die Arme über der Brust. Dieses Foto druckte der Enquirer später ab und schrieb, „enge Freunde“ hätten behauptet, er wolle eine Sauerstoffkammer kaufen, um darin zu schlafen, weil das den Alterungsprozess aufhalte. Erstaunlicherweise glaubten die Leute das. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich über die Jahre gefragt wurde: „Stimmt es, dass Ihr Bruder in einem Sauerstofftank schläft?“ Am liebsten hätte ich gesagt: „Mein Bruder schläft nicht mal gern in einem Bett, von einem Tank gar nicht zu reden!“
Die zweite Geschichte war so unwahrscheinlich, dass sie im Grunde nicht einmal eine Erklärung verdient: Angeblich beabsichtigte Michael, das Skelett des Elefantenmenschen zu kaufen, wie Zitate von Manager Frank Dileo bestätigten. Und wieder glaubten die Leute das. Oder vielleicht wollten sie es auch nur glauben, weil es irgendwie beruhigend ist, wenn ein Genie zumindest ein wenig exzentrisch daherkommt? Ich konnte mir das nie zusammenreimen. In der Familie lasen wir diese ganzen Berichte und dachten nicht weiter darüber nach, aber als Mutter herausfand, dass Frank Dileo hinter diesen Dummheiten steckte, stellte sie ihn dafür zur Rede: „So einen Unsinn sollten Sie nicht verbreiten lassen. Damit lassen Sie meinen Sohn wie einen Idioten aussehen.“
Frank nahm das alles sehr locker. „So bleibt er aber immer im Gespräch, die Leute wundern sich über ihn, und das wollen wir ja.“
War das eine fehlgeleitete Strategie, um ein geheimnisvolles Flair um ihn herum aufzubauen? Ich habe die Herangehensweise von Michaels Management nie verstanden. Seine Berater behandelten ihn wie einen Möchtegernmusiker, dessen Profil in der Öffentlichkeit künstlich geschärft werden musste, obwohl doch Thriller und der phänomenale Erfolg dieser Platte für sich selbst sprachen. Die Skandalgeschichten führten dazu, dass man sich über ihn lustig machte, und das war im Grunde pervers, wo es doch sein einziges Anliegen war, als Künstler ernst genommen zu werden. Die Menschen, die für ihn arbeiten, hätten wissen sollen, wohin das alles führen würde – solche Experimente mit der Presse sind immer gefährlich.
Michael jedoch war auf die Medienattacke, die nun folgte, nicht vorbereitet. Beinahe täglich bezeichnete man ihn nicht nur als „wacko“, sondern als verschroben, seltsam, abartig. Die Schönheitsoperationen und seine unschuldige Liebe zu Tieren schienen das verrückte Bild nur noch zu vervollständigen. Schließlich wandte sich Michael in einem offenen Brief an die Presse und schrieb, wie sehr es ihn verletze, dass Menschen, die ihn nicht einmal kannten, solche Lügen über ihn verbreiteten. Er zitierte das alte indianische Sprichwort: „Urteile nie über einen Menschen, bis du nicht zwei Monde in seinen Mokassins gewandelt bist.“
Aber seinen besten Kommentar gab er mit dem Kurzfilm ab, den er 1996 für seine Single „Ghosts“ drehte. Das Skript für den Clip, der mit 39 Minuten 31 Sekunden das längste Musikvideo aller Zeiten ist, stammte unter anderem von Stephen King. Michael spielte darin den Besitzer eines Spukhauses, das hinter verschlossenen,
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