You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Neverland-ähnlichen Toren im „Normal Valley“ lag. Und er übernahm auch die Rolle seines Gegenspielers, eines weißen Bürgermeisters mittleren Alters mit grauem Haar und Hornbrille, der geschworen hatte, ihn aus der Stadt zu jagen. Dafür trug er sogar einen Fatsuit.
Der Dialog zu Beginn des Films skizzierte, wie Michael in seiner eigenen Wahrnehmung von der Öffentlichkeit betrachtet und behandelt wurde. Oberflächlich betrachtet machte er sich über die Vorurteile lustig, mit denen ihn andere belegten, aber dennoch hatte der Clip eine ernste Botschaft. In der Rolle des Bürgermeisters, der eine Gruppe besorgter Eltern mit ihren Kindern im Schlepptau zu dem Spukhaus führt, um den Besitzer zu vertreiben, spulte Michael alles ab, was über ihn erzählt wurde. „Normal Valley“ stand für Santa Ynez, Kalifornien – und fürs Medienland. „Wir wollen, dass Sie aus der Stadt verschwinden. Unsere Stadt ist nett und normal. Mit normalen Menschen. Normalen Kindern. Wir brauchen keine Spinner wie Sie, die Gruselgeschichten erzählen. Sie sind seltsam. Sie sind anders, und ich mag Sie nicht … Jetzt ist Schluss mit lustig. Gehen Sie doch wieder zurück zum Zirkus, Sie abartiger Typ. Zwingen Sie uns nicht, Gewalt anzuwenden, denn das werden wir tun, wenn Sie uns keine Wahl lassen.“ Und dann spielte Michael sich selbst, einerseits gelassen, andererseits voller aufgestauten Zornes, und setzte seine Zauberkraft ein, um alle Erwachsenen zum Schweigen zu bringen, die mit ihren verqueren Gedanken gegen ihn angetreten waren.
Hier brachte Michael all seine Gefühle zum Ausdruck. Ich kann mich noch gut an sein Kostüm erinnern, weil er während einer Drehpause einmal in seiner Verkleidung als weißer Bürgermeister in Hayvenhurst erschien, mit grauen Haaren und Latexmaske. Als er hereinkam, erkannte ich ihn sofort, weil er mir zuzwinkerte, aber davon abgesehen war die Tarnung perfekt. Unser Cousin Tony Whitehead, der gerade mit einem Buch unter dem Arm neben mir stand, hielt ihn für einen Fremden, einen Besucher. Michael nutzte die Situation für einen kleinen Spaß: Er hatte Tony, der seit 1988 als Zimmermann zu Michaels Tour-Crew gehörte und den er gut kannte, immer gern hochgenommen. Und nun ging Michael als untersetzter Weißer auf ihn zu und sagte: „Na, wieso tragen Sie denn ein Buch mit sich rum? Nigger können doch gar nicht lesen!“
Tony war ein bulliger Typ, dem man normalerweise besser nicht in die Quere kam, und er konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte. „Was haben Sie gerade gesagt?“, fragte er und baute sich drohend vor Michael auf, bereit, ihm eins auf die Nuss zu geben.
„Tony!“, schrie Michael. „Tony! Ich bin’s doch! Ich bin’s!“
Unser Cousin starrte meinem Bruder in die Augen und versuchte, herauszufinden, wer ihm da eigentlich gegenüberstand. „Ich bin’s, Michael!“ Und nun entspannte Tony sich, und wir alle klappten vor Lachen fast zusammen.
In den letzten vier Wochen, bevor die Tour begann, debattierten unsere Anwälte noch über jedes kleine Detail – über 40 oder 45 Konzerttermine, über verschiedene Ideen und Gebühren, über Dinge, die wir wollten oder vielleicht auch nicht, über Kosten und Ticketpreise. Es war unglaublich ermüdend. Jeder der Brüder erhielt von seinem Beraterteam andere Ratschläge, und dabei zuzusehen, das tat weh. Ich merkte, dass es Michael die Energie nahm. Er war tourneemüde, bevor wir überhaupt losgelegt hatten. Aber das Eine muss ich ihm lassen: So sehr ihn dieser ganze Zirkus auch verrückt machte, er drückte sich vor keinem Treffen und sagte keine einzige Konferenzschaltung ab.
Bei einem Meeting, als wieder einmal eine enervierende Diskussion ausgebrochen war und jeder glaubte, seine Meinung kundtun zu müssen, bemerkte ich, wie Michael sich innerlich völlig zurückzog und den ganzen Lärm ausblendete. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und kritzelte auf seinem Block herum; wieder einmal zeichnete er Charlie Chaplin. Plötzlich sah er aus wie ein Kind, das sich die Zeit vertreibt, während sich die Erwachsenen um ihn herum streiten – und es schien wirklich der vielversprechendste Ausweg zu sein. Wir Brüder dachten am Schluss alle das Gleiche: Weg von dieser ganzen Taktiererei und raus auf die Bühne; das tun, was wir am besten konnten. Das sein, was wir liebten. Wie sagte Michael in seiner Autobiografie: „Diese Tournee war wie: Wir sind ein Berg. Wir sind hier, um unsere Musik mit euch zu teilen. Wir haben euch
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