You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Michael uns Streiche. Wenn einer von uns beispielsweise mit offenem Mund einschlief, dann schnappte er sich ein kleines Stück Papier, schrieb irgendetwas Albernes darauf – „Ich rieche aus dem Mund“ oder dergleichen – und pappte es dem Schläfer, nachdem er es ein wenig mit dem Finger nass gemacht hatte, an die Unterlippe. Ebenso gern krümelte er Juckpulver in unsere Unterhosen oder platzierte Furzkissen auf einem Stuhl. Michael wurde jedenfalls schnell der Scherzbold unserer kleinen Truppe.
Im Sommer 1966 fuhren wir fast zweieinhalbtausend Kilometer nach Arizona, um in der Old Arcadia Hall von Winslow bei Phoenix aufzutreten, weil Papa Samuel in der Nähe wohnte und vor den Leuten in seiner Nachbarschaft mit uns angeben wollte. Wir waren die ganze Freitagnacht bis in den Samstag hinein unterwegs und hielten zwischendurch nur kurz, um zu tanken, dann gingen wir am Samstagabend auf die Bühne und fuhren sofort zurück, damit wir vor Mitternacht am Sonntag wieder zu Hause waren und Montagfrüh wieder in der Schule sitzen konnten. Auf dieser quälend langen Fahrt lachte Michael nicht so viel. Lebhaft erinnere ich mich noch daran, dass ich vorn bei Joseph saß, und er irgendwann einmal anhielt, das Gesicht in den Händen verbarg und sich die Wangen massierte. Seine Augen tränten. Dann merkte er, dass ich ihn ansah. „Bin nur ein bisschen müde“, sagte er. Nach fünf Minuten Pause fuhr er weiter.
Inzwischen hatten wir einen neuen Schlagzeuger, Johnny Jackson, der im Gegensatz zu dem, was später aus marketingstrategischen Gründen in der Presse gern behauptet wurde, kein Cousin und auch kein entfernter Verwandter von uns war. Sein Nachname war nichts weiter als ein glücklicher Zufall, den sich die Publizisten gern zunutze machten. Wir wurden auf ihn aufmerksam, weil er wie Jackie auf die Theodore Roosevelt High ging und uns von einem Musiklehrer empfohlen worden war. Er war ein lebhafter, gut gelaunter kleiner Kerl mit einem frechen Grinsen, etwa 14 Jahre alt und vermutlich der beste junge Schlagzeuger der ganzen Umgebung, der von seinen Fähigkeiten ebenso überzeugt war wie Michael von seinem Tanz. Johnny spielte einen tollen Backbeat und verfügte vor allem über ein exquisites Timing. Er schlug so heftig auf seine Drums ein, dass wir den Rhythmus meist über die Bühnenbretter in unseren Füßen spüren konnten. Johnny Jackson prägte unseren Sound entscheidend.
Und noch jemand stieß in dieser Zeit zur Familie: Jack Richardson, ein Freund von Joseph und ein unglaublich netter Kerl. Er sprang als Fahrer ein, weil unser Vater die langen Touren nicht mehr allein bewältigen konnte. Jack blieb jahrelang bei uns und wurde ein fester Bestandteil unseres Teams. Die vielen Stunden am Steuer, die er ohne zu klagen hinter sich brachte, verrieten uns, wie sehr er an uns glaubte. Wo auch immer ein Auftritt für uns gebucht worden war – Kansas City, Missouri, Ohio –, Jack war sofort voller Begeisterung mit dabei.
Unsere Marathontrips quer durchs Land seien wichtig, sagte Joseph, weil wir „ein weißes wie auch ein schwarzes Publikum ansprechen“ sollten. Er war fest entschlossen, uns eine gemischtrassige Fangemeinde zu schaffen, und das zu einer Zeit, da die Bürgerrechtsbewegung in vollem Gange war. Wir waren Kinder, wir verstanden die Bedeutung der Rassenfrage ohnehin nicht. Uns war es egal, ob die Gesichter in der Menge schwarz oder weiß waren, und es wirkte sich schon gar nicht auf unsere Show aus. Die Reaktion des Publikums war ohnehin immer die gleiche – die Leute liebten uns.
Auch von den ganzen geschäftlichen Abmachungen verstanden wir nichts: Wir sprangen einfach in den Bus, fuhren zum Club, der uns gebucht hatte, und gingen auf die Bühne. Mehr interessierte uns auch nicht. Während wir nach den Auftritten noch backstage oder im Hotel herumsaßen, war Joseph für uns unterwegs, schüttelte Hände und knüpfte Verbindungen. Wir wollten eigentlich immer nur nach Hause, aber oft genug kreuzte er noch mit einem neuen „Kontakt“ auf, und wir wussten, dass wir nun wieder engagiert dreinschauen und unser Bühnenlächeln aufsetzen mussten. Während wir an unserem Durchbruch arbeiteten, musste sich Joseph immer wieder mit dem Vorurteil herumschlagen, dass ein Haufen „Milchbubis“ gar nicht richtig gut sein könne . Aber er ließ sich niemals beirren und hielt daran fest: Wenn Stevie Wonder es schaffen konnte, dann auch seine Söhne.
Und dann zeigte sich ein erster Hoffnungsschimmer am
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