You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
wieder Marlon: „Gladys Knight ist da!“
Und dann kreischte Michael: „Diana Ross! Ich habe gerade Diana Ross gesehen!“
Tito und ich sprangen nun ebenfalls auf und rannten zu den Fenstern, um uns davon zu überzeugen, dass dies nicht wieder einer seiner Scherze war. Aber es stimmte. Mr. Gordy hatte die Crème de la crème seiner Motown-Familie zusammengetrommelt – und wer konnte schon sagen, wie viele wichtige Strippenzieher aus dem Musikgeschäft sonst noch anwesend sein würden? Seit Juli hatten wir uns immer wieder kneifen müssen, um zu begreifen, dass wir nun Motown-Künstler waren, genau wie die Temptations, die Marvelettes, Martha & The Vandellas, Smokey, Gladys, Bobby Taylor, Diana Ross, Marvin Gaye und die Four Tops. Wie lange schon träumten wir davon, wie sie zu sein und dort zu stehen, wo sie standen. Und jetzt durften wir vor ihnen auftreten.
Jackie wurde ganz hektisch. „Jungs, wir müssen uns konzentrieren. Hört zu. Wisst ihr alle genau, was ihr tun müsst?“ Der Druck machte ihm nun doch zu schaffen, und die Tatsache, dass Michael und Marlon alle zwei Minuten mit noch mehr großen Namen aufwarteten, machte die Sache nicht leichter. Seltsamerweise war dies eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Joseph nicht backstage war. Er schwirrte irgendwo im Haus herum und knüpfte neue Kontakte; vielleicht war auch das der Grund, weshalb Jackie so nervös war. „Kommt jetzt, alle mal herhören … wir müssen das richtig gut hinkriegen. Wir müssen uns konzentrieren.“ Konzentrieren. Nach Joseph war es Jackie, der dieses Wort am meisten benutzte.
Michael und Marlon beruhigten sich nun auch wieder etwas, und wir alle rückten zusammen und versicherten uns gegenseitig, dass wir jetzt da „rausgehen und den Laden auseinandernehmen“ wollten. Das waren unsere typischen Sprüche vor einem Konzert in der damaligen Zeit: „Nehmen wir den Laden auseinander!“ – „Machen wir sie fertig!“ – „Hauen wir sie weg!“ oder „Los, wir gehen jetzt raus und zeigen denen, wo der Hammer hängt!“ Michael behielt diese Ausdrücke bei, als er später solo auftrat. Jeder, der einmal mit ihm gearbeitet hat, wird sich daran erinnern. Es waren Boxersprüche, die wir von Joseph übernommen hatten.
Zwar wussten wir, wie viele hochkarätige, talentierte Künstler auf uns warteten, aber trotzdem fühlten wir uns keinen Augenblick unsicher oder als Underdogs. Wir waren Motowns erste Kindergruppe, und wir brannten darauf, unser Programm zu präsentieren: „My Girl“, „Tobacco Road“ und noch einen Song von James Brown. Dennoch fragten wir uns natürlich: Wie würde unser Publikum reagieren? Wie waren die Motown-Leute so, wenn sie sich in einem privaten Rahmen trafen? Wie waren sie als Zuschauer?
Zwei Gesichter hätten wir nur zu gern auf den vorderen Plätzen gesehen, die aber leider nicht dabei waren: Mutter und Rebbie. Mutter hatte all die Jahre immer wieder für uns zurückgesteckt, sie hatte uns bei den Proben zugesehen, ihre Träume für uns geopfert und ihre Jungen an so vielen Wochenenden gehen lassen, obwohl sie uns vermisste. Und Rebbie hatte, als die erste große Motown-Welle anrollte, im Plattenladen um die Ecke die neusten Singles gekauft, um dann mit Jackie dazu zu tanzen. Sie hatte instinktiv genau erfasst, worum es sich bei dem „Sound des jungen Amerika“ drehte, den Mr. Gordy erfunden hatte. Nicht umsonst lautete ein anderes Motown-Motto: „Das, was zählt, ist der Groove.“
Dann war es so weit: Wir standen am Pool vor den Mikrofonen, die Instrumente in der Hand, und wir guckten über das beleuchtete Wasser hinüber in die Gesichter der großen Stars. Michael gab uns das Zeichen, und wir legten los. Und zwar so richtig. Bei diesem Auftritt bebten wir vor Energie, und wir merkten schnell, dass unser VIP-Publikum begeistert war. Es war keine Gönnerhaftigkeit, sie fanden es wirklich phantastisch. Schon bei der zweiten Strophe von „My Girl“ wurde geklatscht, getanzt und gejubelt, es gab sogar laute Beifallsrufe, als Michael mit seinen Tanzeinlagen loslegte und geradezu explodierte. Als wir uns am Schluss verbeugten, sahen wir Mr. Gordy vorn in der Mitte vor den Zuschauern, die allesamt aufgestanden waren, und er klatschte am lautesten von allen und grinste mindestens so breit wie Joseph, der mit stolzgeschwellter Brust dastand. Das war immer ein gutes Zeichen.
Als Smokey Robinson und Marvin Gaye zu uns kamen und ganz begeistert von unserem Auftritt schwärmten, wurde auch uns
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