You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
hinter dem Kühlschrank fütterte. Und Hazel Gordy, die wusste, wie sehr ich Reptilien liebte, erschien an meinem sechzehnten Geburtstag mit einer Holzkiste, in der eine Boa Constrictor schlummerte, die wir Rosie tauften – war der Name Zufall, oder dachten wir tatsächlich an die Stripperin, die früher so oft nach uns aufgetreten war? Schon möglich – aber ich weiß es wirklich nicht mehr …
Michael waren die quirligen Ratten lieber. Er ließ zu, dass eine über seinen Rücken krabbelte, ihre kleinen Krallen in seine Schultern bohrte und über seine Arme, seinen Hals und seinen Kopf lief. Seine Haustiere beruhigten ihn. 1972 wurde er mit seinem Song „Ben“ für den Oscar nominiert. Es war die Titelmelodie zu dem gleichnamigen Horrorfilm, in dem es um einen einsamen Jungen geht, der außer seiner zahmen Ratte keine Freunde hat. Rein zufällig imitierte hier die Kunst das Leben, denn in unserem Haus wimmelte es schon bald von Ratten. Michael hatte, ohne dass es jemand von uns merkte, seine Haustiere mit freilebenden Ratten von draußen gepaart, so dass es statt zweien oder dreien in einem Käfig bald eine kleine Kolonie von acht oder zehn gab, die durch die Wandschränke krabbelten und über unsere Schuhe und in unsere Kleider liefen. Mutter war stinksauer und erklärte, wenn er mit diesem Blödsinn nicht aufhöre, nehme sie ihm alle Tiere weg.
Daraufhin verfütterten wir die Nager an Rosie. Schließlich sollte sie noch wachsen, und Michael musste die Population seiner Viecher ohnehin unter Kontrolle halten. Außerdem entsprach das gewissermaßen der ganz normalen Nahrungskette. „Wir gehen Rosie füttern!“, rief Michael, und wir rannten hinter ihm die Treppe hinauf, um dem großen Ereignis beizuwohnen. Wir öffneten die Frontabdeckung des Terrariums und ließen die Ratte von seiner Hand klettern. Dann standen wir da, die geballten Fäuste gegen den Mund gepresst, und konnten kaum dabei zugucken, wie Rosie ihre erste große Mahlzeit genoss. „Arme Ratte“, sagte Michael. Von diesem Tag an gaben wir der Boa jeden Tag eine Ratte, bis sie alle verschwunden waren.
Unseren Nachbarn erzählen wir lieber nichts von unseren Haustieren, schließlich wollten wir sie nicht beunruhigen. Es gab ohnehin schon genug Ärger, weil wir bei den Proben so viel Lärm machten. Schließlich musste Motown uns ein anderes Haus anmieten, diesmal nördlich von Beverly Hills im Bowmont Drive. Die zwölf Zimmer lagen alle auf einer Ebene, und da das Haus auf Stelzen gebaut war, fuhr man mit dem Auto unter das Gebäude und trat von unten ein. Aber mir gefiel es deswegen, weil unser direkter Nachbar James Cagney hieß, und das war für mich der endgültige Beweis, dass wir in Hollywood angekommen waren.
Unser Leben in Los Angeles lief nach einem immer wiederkehrenden Muster ab: Schule, Studio, Schlaf, Schule, Studio, Schlaf. Wir arbeiteten immer weiter an neuen Songs und stellten nach und nach das Material für unser Debütalbum zusammen, Diana Ross Presents The Jackson 5 . Die Erfolgschancen für die Platte waren gut, denn die Verkäufe unserer ersten Single hatten alle Erwartungen übertroffen. „I Want You Back“ erreichte in den USA tatsächlich Platz 1, und das nicht nur in den R&B Charts, in denen ausschließlich schwarze Musik gelistet wurde, sondern in den Billboard Hot 100. In nur sechs Wochen hatte sich der Titel in Amerika zwei Millionen Mal verkauft, und er schickte sich an, auch Großbritannien und den Rest Europas, Australien, Neuseeland, Japan und Israel zu erobern. Im Februar 1970 veröffentlichten wir „ABC“, das ebenfalls die Spitze der Charts erklomm und die Zwei-Millionen-Marke schon nach drei Wochen durchbrach. Drei Monate später besiegelten wir mit „The Love You Save“ unseren Hattrick mit weiteren zwei Millionen verkauften Exemplaren. Mr. Gordys Vorhersage hatte sich bewahrheitet: drei Nummer-1-Hits hintereinander. Wir hatten das Gefühl, ganz oben angekommen zu sein. Jetzt war Motown bereit, uns quer durch die USA auf Tour zu schicken – und damit begann der Irrsinn erst richtig.
E s war wiedie Ankündigung eines kleinen Erdbebens, ein erstes Zittern, das man in den Fußballen spürte. Wir hatten in der Spectrum-Arena von Philadelphia etwa die ersten fünf Titel unseres 15 Songs umfassenden Programms gespielt, als wir merkten, dass etwas nicht stimmte. Was war das? Habt ihr das auch gemerkt? Michael sang weiter. Ich konnte nur seinen Rücken sehen, als er am Bühnenrand auf und nieder wippte,
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