You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
erwischt!“
Er veranstaltete einen solchen Lärm, dass ein Lehrer aufmerksam wurde und nachschauen ging. Während ich irgendwie zu erklären versuchte, wieso ich mit einem Mädchen in der Dunkelkammer war, hörte ich Michael laut lachend über die Flure laufen.
Damals gab es viele Mädchen, die Jagd auf mich machten, und mein Teenager-Ego war von dieser Aufmerksamkeit viel zu sehr geschmeichelt, als dass ich sie hätte zurückweisen können. Aber um wirklich ein Mädchen ins Hotel zu schmuggeln, vorbei an Billy Bray und nach gründlicher Überprüfung, ob Joseph auch nicht in der Nähe war, musste man sich verdammt anstrengen. Gerade weil es verboten war, fühlte es sich jedoch umso mehr wie ein grandioser Homerun an, wenn ich es geschafft hatte, in weiblicher Begleitung an unserem Wachposten vorbeizukommen und ungesehen die Schwelle meines Zimmers zu übertreten. Ich war wirklich dankbar für die Notausgänge, die direkt ins Freie führten, und die zahlreichen Feuertreppen. Das größte Problem war aber natürlich, dass ich mein Zimmer mit Michael teilte. Und es machte die Sache nicht leichter, dass er immer dann, wenn er wusste, dass ich jemand Bestimmtes im Blick hatte, geradezu an mir festgewachsen zu sein schien. Aber dann ergab sich doch einmal die wunderbare Gelegenheit. Michael war nirgendwo zu sehen, und mir gelang es, mich von irgendeiner Veranstaltung im Hotel ungesehen davonzuschleichen, um mit dem allerhübschesten Mädchen anzubändeln.
Zu Hause war ich viel mit Hazel Gordy zusammen, aber auch wenn wir uns sehr mochten und uns endlose Liebesbriefe schrieben, war es eine ganz unschuldige Liebe, die noch nicht als etwas Ernstes zu bezeichnen war, und dementsprechend fühlte ich mich frei, mir auf Tour etwas Erfahrung anzueignen. Unter uns älteren Brüdern bezeichneten wir im Baseball-Code, wie weit wir bei einem Mädchen gekommen waren: von der ersten Base (einem Kuss) zur zweiten (streicheln/ausziehen) und schließlich zur dritten (richtigem Sex). An diesem Abend in meinem Zimmer war ich ein L.A. Dodger auf Gewinnerkurs, lag mit geschlossenen Augen auf diesem Mädchen und küsste und streichelte sie so frei, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. „Das ist so schön“, schnurrte sie. Ich ging in die Offensive, sie stöhnte. Die dritte Base kam in Sicht. Mit einer Hand streichelte ich ihr Gesicht, die andere ruhte auf der Matratze neben ihrem Kopf.
„Es ist toll, wie du meine Schenkel streichelst“, raunte sie, „du bist so sanft …“ Ich streichle deine Schenkel doch gar nicht. „… das fühlt sich so gut an …“, flüsterte sie weiter. Ich öffnete die Augen einen Spalt breit, und dann sah ich es: Michaels Arm ragte unter dem Bett hervor, und seine Hand lag auf dem Schenkel des Mädchens.
„Michael!“, rief ich und sprang auf. Meine Begleiterin erstarrte vor Schreck, als mein kleiner Bruder kichernd zur Tür rannte. Ich hätte ihn umbringen können – nicht nur, weil er sich da die ganze Zeit versteckt hatte, sondern auch, weil er gehört hatte, was ich an sinnlichem, romantischem Unfug von mir gegeben hatte, und mich prompt die ganzen nächsten Wochen damit aufzog. An dem Abend sprach ich kein Wort mehr mit ihm. Als wir das Licht ausmachten und er mir eine gute Nacht wünschte, antwortete ich nicht. Er lag eine Weile still im Dunkeln, dann machte er ein Friedensangebot. „Sie hatte echt samtige Schenkel!“ Das brach das Eis, und wir mussten beide laut lachen.
Theoretisch waren Freundinnen verboten, also hielten Jackie und ich unsere unerlaubten Eroberungen geheim. Zum einen war Motown darauf aus, uns als Jungs ohne Beziehung zu präsentieren, die noch auf die große Liebe warteten. Wir verstanden, dass unsere Attraktivität teilweise darin begründet lag, dass die Fans glaubten, eines Tages die Auserwählte sein zu können. Zum anderen hatte Joseph unabhängig von Motowns PR-Beratern eine genaue Vorstellung von unserem Image, in der ebenfalls kein Platz für Freundinnen war, und das gab er uns laut und deutlich zu verstehen: Freundinnen sind schlecht für euch. Freundinnen lenken euch ab. Freundinnen treiben die Plattenverkäufe nach unten. Ihr werdet Fans verlieren. Sie werden nicht mehr nach euch kreischen – und so weiter. Wir Älteren rollten mit den Augen. Es war eine Ausweitung des alten Mottos „Nie die Außenwelt in die Familie hineinlassen.“
Ich weiß nicht, ob Michael das wirklich begriff. Eher glaube ich, dass es ihn verwirrte. Da hatte man ihm ständig
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