Young Sherlock Holmes 1
nicht alle die Treppen raufschleppen und über die Kante schmeißen«, flüsterte Matthew.
»Wir schleppen die nicht alle die Treppen rauf und schmeißen sie über die Kante«, bestätigte Sherlock.
»Und was tun wir dann?«
»Ich bin nicht sicher.«
»Was meinst du damit, du bist nicht sicher?«
»Ich meine, ich habe das Ganze noch nicht ganz bis zu Ende durchgedacht. Ist ja auch alles ein bisschen schnell gegangen.«
Matthew schnaubte. »Auf dem Fischkutter hast du jede Menge Zeit gehabt.«
»Da hab ich an was anderes gedacht.«
»Ja, is klar«, sagte Matty. »Das hab ich gemerkt.« Er schwieg eine Weile. »Wir könnten sie abfackeln«, schlug er vor.
Sherlock schüttelte den Kopf. »Sieh dir die Abstände an. Wir könnten vielleicht einen oder zwei in Brand stecken, aber die Flammen würden nicht auf die anderen Stöcke übergreifen, und die Bienen würden uns wahrscheinlich erwischen.«
Matty sah sich um. »Was fressen sie?«, fragte er.
»Was meinst du damit?«
»Wir sind auf dem Englischen Kanal. Hier draußen gibt’s keine Blumen, und ich glaube nicht, dass sie auf Seegras abfahren. Also, was fressen Bienen?«
Sherlock dachte einen Augenblick lang nach. »Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht.« Er blickte sich um. »Schauen wir uns doch mal um, für den Fall, dass sich hier was Interessantes finden lässt. Wir trennen uns und treffen uns auf der anderen Seite wieder. Lass dich nicht schnappen.«
Matty wandte sich nach links, während Sherlock nach rechts ging. Nach wenigen Metern drehte er sich noch einmal nach seinem Freund um, doch die Dunkelheit hatte Matty bereits verschluckt.
Sherlock setzte seinen Weg fort. Die dichten Reihen von Bienenstöcken, an denen er vorbeikam, bildeten ein eintöniges Muster, das fast schon hypnotisch wirkte. Es waren keine Bienen zu sehen. Vielleicht sorgte die Dunkelheit dafür, dass sie in ihren Stöcken blieben. Aber er bildete sich ein, sie hören zu können: ein tiefes, einschläferndes Summen, das fast an der Grenze zur Wahrnehmbarkeit war. Gleich darauf wurde er auf einige Holzgestelle aufmerksam, die an verschiedenen Stellen des riesigen höhlenartigen Raumes aufgestellt worden waren und aussahen wie eine Künstlerstaffelei. Auf einigen hatte man Holztabletts abgestellt, während andere leer waren. Sherlock fragte sich, wo er solche Tabletts schon einmal gesehen hatte. Irgendetwas daran kam ihm bekannt vor.
Dann tauchte eine groteske Gestalt aus der Dunkelheit auf. Der Mann steckte in einem Overall aus Leinen und trug eine Maske aus Musselinstoff auf dem Kopf, die mit Hilfe von Bambusholzstreben vom Gesicht abgehalten wurde. Er stand über eine große Kiste gebeugt. Eine von vielen, die – wie Sherlock nun sehen konnte – nebeneinander an dieser Stelle der gekrümmten Außenmauer abgestellt worden waren. Er richtete sich wieder auf und hielt ein Tablett in den Händen, das genauso aussah wie diejenigen, die man auf den überall verstreuten staffeleiartigen Holzgestellen abgestellt hatte. Während Sherlock ihn beobachtete, wie er auf die Bienenstöcke zuging, meinte er, feinen Pulverstaub von dem Tablett aufsteigen zu sehen.
Als der Mann im Bienenanzug das Tablett unten in das Gestell eines Bienenstocks schob, fiel es Sherlock wie Schuppen von den Augen. Er hatte beobachtet, wie unweit von Farnham Imker in den gleichen Anzügen auf dem Anwesen des Barons ähnliche Tabletts unter den Bienenstöcken herausgezogen hatten. Und dann ergab alles plötzlich einen Sinn: die Tabletts, der pulvrige Staub, der von ihnen aufstieg, das Eis, das dieser Schläger Denny aus dem Zug in Farnham ausgeladen hatte, und schließlich Mattys Frage, was Bienen fraßen, wenn es keine Blumen gab.
Es war alles so perfekt logisch! Bienen sammelten Pollen von Blüten, den sie dann an den feinen Härchen an ihren Beinen aufbewahrten, bis sie wieder zurück in ihren Stock kamen und den Pollen als Nahrung nutzten. Man platziere ein Tablett unter einen Bienenstock und konstruiere so etwas wie ein »Tor«, durch das die Bienen müssen, um in den Stock zu kommen, und das so beschaffen ist, dass dabei immer ein wenig Pollen abgestreift wird, der dann in das Tablett darunter fällt. Dann lagere man die Tabletts auf Eis, so dass man den Pollen so lange aufbewahren kann, bis er gebraucht wird. Zum Beispiel, wenn man die Bienen irgendwohin bringt, wo es keine Blumen in der Umgebung gibt. Schließlich verteile man die Tabletts gleichmäßig um die Bienenstöcke herum, damit die Tiere
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