Young Sherlock Holmes 1
Malheurs mit der Axt beim Holzhacken. Der Gedanke rief etwas in ihm wach: Er
hatte
den Mann schon einmal gesehen. Nur wo?
»Ich glaube, er arbeitet für meinen Onkel«, sagte er schließlich. »Ich habe gesehen, wie er mit MrsEglantine und einem anderen Bediensteten ein paar Sachen mit der Kutsche vom Bahnhof abholte.«
»Wann war das?«, fragte Crowe.
»Heute morgen erst«, antwortete Sherlock stirnrunzelnd. »Aber er sieht aus, als wäre er schon seit Tagen krank gewesen. Und als ich ihn heute Morgen gesehen habe, war mit ihm noch alles in Ordnung.«
»Interessant«, murmelte Crowe. »Na schön. Lass ihn uns auf die Schubkarre verfrachten und zum Haus zurückschieben. Eure sauertöpfisch dreinblickende Hauswirtschafterin kann dann nach dem hiesigen Knochensäger schicken.«
»Knochensäger?«, fragte Sherlock verdutzt.
»Arzt«, erklärte Crowe lachend. »Hast du diese Redewendung noch nie gehört?«
Sherlock schüttelte den Kopf.
»Sie werden so genannt, weil das alles war, was sie vor noch nicht allzu langer Zeit konnten: Wenn ein Unfall passierte, amputierten sie einfach Finger oder Zehen, Hände oder Füße, Arme oder Beine.« Crowe schnaubte verächtlich. »Erfreulicherweise hat sich die Zivilisation ein wenig weiterentwickelt.« Er beugte sich über die Leiche, richtete sich dann wieder auf und blickte zu Sherlock hinüber. »Denk dran, nicht seine Haut zu berühren!«, warnte er. »Nur die Kleidung. Besser kein Risiko eingehen.«
Für den Rückweg durch den Wald benötigten sie beinahe eine halbe Stunde. Amyus Crowe schob die Schubkarre mit dem toten Körper, der auf der Ladefläche unruhig hin und her ruckelte. Sherlock lief vorweg und entfernte auf dem Boden liegende Steine oder Äste, die die Räder hätten blockieren oder Crowe ins Stolpern bringen können. Immer wenn die Schubkarre über eine Bodenwelle fuhr, schwangen die Hände des Toten auf und ab, was aussah, als wollte er versuchen, sich aufzurichten. Sherlock bemühte sich, nicht hinzusehen.
Als sie in Sichtweite des Hauses kamen, ging Sherlocks Atem in kurzen Stößen, und er spürte, wie seine Muskeln vor Erschöpfung brannten. Irgendjemand musste sie schon kommen gesehen haben, denn MrsEglantine schritt ihnen bereits entgegen. Sie trafen sich, als Sherlock und Crowe gerade die letzten Bäume hinter sich gelassen hatten.
»Sie werden
keinesfalls
«, verkündete sie steif, »dieses Ding irgendwo in die Nähe des Hauses bringen.«
»Dieses Ding«, wies Crowe sie ruhig zurecht, »ist ein Arbeiter Ihres gnädigen Herren. Ich weiß, er ist tot. Aber trotzdem glaube ich, dass er ein bisschen Respekt verdient.«
MrsEglantine verschränkte die Arme. »Arbeiter oder nicht«, sagte sie. »Ich werde nicht zulassen, dass er in die Nähe des Hauses kommt. Sehen Sie ihn sich doch an. Ich habe keine Ahnung, ob es die Pest oder die Pocken sind. Aber die Leiche muss verbrannt werden.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, erwiderte Crowe. »Doch ich möchte, dass sich das zuerst ein Arzt ansieht. Und natürlich müssen seine Angehörigen benachrichtigt werden. Also seien Sie bitte so nett, und schicken Sie nach einem Arzt aus der Stadt. Gibt es irgendwo einen Ort, wo wir die Leiche in der Zwischenzeit lagern können?«
MrsEglantine schnaubte. »Es gibt einen Schuppen, dort weiter unten beim Misthaufen«, antwortete sie. »Der wird nicht mehr genutzt. Bringen Sie ihn dort rein.« Sie schwieg einen Moment. »Wir können den Schuppen danach abbrennen«, fügte sie hinzu. Dann drehte sie sich um und ging ins Haus zurück.
»Was für eine liebreizende Dame«, murmelte Crowe.
Sherlock führte ihn ums Haus herum zu der Stelle, wo der Viehmist aufgehäuft wurde, hauptsächlich um von dort aus als Dünger auf den Gemüsefeldern und in den Obstgärten verteilt zu werden. Der feucht-warme und ekelhafte Gestank drang Sherlock trotz des brandygetränkten Taschentuchs in Mund und Nase und erfüllte seinen Rachen mit einem widerlichen Aroma.
Der Schuppen war verfallen, und Sherlock und Crowe mussten erst stapelweise zerbrochene Holzbretter und rostige Farmgeräte entfernen, bevor sie die Leiche hineinbugsieren konnten.
Die durch Löcher in Dach und Wänden sickernden Sonnenstrahlen warfen handtellergroße Lichtflecken auf die Leiche, ließen gnädigerweise jedoch den restlichen Körper im Dunkeln. Sherlock kam der Tote, dessen Arme und Beine schlaff über die Ränder der Schubkarre hinabbaumelten, wie eine fratzenhafte lebensgroße Puppe vor, die achtlos fortgeworfen
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