Young Sherlock Holmes 1
Bäumen hatte etwas Farbiges aufgeblitzt: Rote Flecken auf weißem Untergrund, wenn er das richtig gesehen hatte. Er ging näher, in der Annahme, dass er eine Gruppe Giftpilze vor sich hatte, die durch den Waldboden gebrochen waren. Aber etwas an der Kontur des Ganzen irritierte ihn. Es sah aus wie …
Als im nächsten Augenblick eine Rauchwolke von dem Gegenstand aufzusteigen begann, wurde Sherlock schlagartig klar, mit was er es zu tun hatte: Vor ihm lag ein verkrümmter Männerkörper. Eine Brise trieb den Rauch davon. Aber Sherlock konnte keine Anzeichen für ein Feuer ausmachen. Einen Moment lang dachte er, der Mann dort vor ihm würde im Liegen Pfeife rauchen und hätte sein Gesicht aus irgendwelchen Gründen mit einem rotgepunkteten Taschentuch bedeckt. Doch als er näherkam, stellte er fest, dass die roten Flecke weder zu irgendwelchen Giftpilzen gehörten noch Punkte auf einem weißen Taschentuch waren.
Es waren blutige Beulen, die das Gesicht einer Leiche überzogen.
4
Amyus Crowe zog ein Taschentuch aus seiner Tasche und reichte es Sherlock. Aus einer anderen Tasche holte er ein flach gewölbtes mit Leder überzogenes Metallfläschchen hervor. Er schraubte es auf und goss eine braune Flüssigkeit auf das Taschentuch, das Sherlock in der Hand hielt. Von dem getränkten Stoff stieg ein beißender Geruch auf, der einem die Tränen in die Augen trieb und die Nase kribbeln ließ.
»Brandy«, erklärte Crowe auf Sherlocks fragenden Blick hin. »Nur zur Sicherheit und für den Fall, dass dieser Mann an etwas Ansteckendem gestorben ist. Was immer es auch ist. Schließlich wollen wir uns doch nicht das einfangen, was ihn ins Jenseits befördert hat.« Er zog ein weiteres Taschentuch aus einer anderen Tasche hervor und tränkte es ebenfalls mit Brandy.
»Was immer es auch ist?«, fragte Sherlock verwirrt. »Na, bestimmt doch irgendeine Krankheit! Sehen Sie sich nur sein Gesicht an!«
Crowe fixierte Sherlock mit seinen leuchtend blauen Augen. Mit dem Taschentuch in der Hand musterte er seinen Schüler einen Moment lang interessiert. »Glaubst du, dass eine Krankheit etwas ist, das einfach so passiert? Dass Erkrankungen sich ohne Zutun einfach so im Körper entwickeln?«
»Ich habe noch nie richtig darüber nachgedacht«, gab Sherlock zu. »Doch vermutlich schon.«
»Aber du weißt, dass Krankheiten von einer Person zur anderen übertragen werden können. Zum Beispiel wenn sie sich berühren oder sich nahekommen.«
»Ja …«, sagte Sherlock zögernd und fragte sich, wohin das nun wieder führen würde.
»Und macht es dann nicht Sinn, dass irgend etwas von der kranken zur gesunden Person gewandert sein muss und diese dabei krank gemacht hat?«
Sherlock schwieg. Er wusste, dass dies auf eine neue Lektion hinauslaufen würde, egal, was er auch sagte.
»Vor ein paar Jahren war ich in Wien«, fuhr Crowe fort. »Dort habe ich einen Arzt namens Ignaz Semmelweis kennengelernt. Er war Ungar und kümmerte sich um Frauen, die kurz vor der Entbindung standen. Er hatte festgestellt, dass Frauen, die von Ärzten oder Medizinstudenten betreut wurden, größere Chancen hatten, am Kindbettfieber zu sterben, als diejenigen, die sich Hebammen anvertrauten. Intelligenter Mann, dieser Semmelweis. Viele andere Ärzte hätten es dabei belassen. Aber er erkannte, dass diese Ärzte häufig direkt von einer Obduktion zur Entbindung gekommen waren. Er sorgte dafür, dass Ärzte und Medizinstudenten sich die Hände mit Wasser und Chlorkalk wuschen, bevor sie die schwangeren Frauen untersuchten. Dadurch ging die Sterblichkeit durch Kindbettfieber in seinem Krankenhaus stark zurück. Offensichtlich tötete oder zerstörte der Chlorkalk irgendetwas auf den Händen der Ärzte. Etwas, das anderenfalls auf die Körper der Frauen übergegangen wäre.« Er hielt das Taschentuch hoch. »Deshalb der Brandy. Er hat einen ähnlichen Effekt.«
»Worum handelt es sich bei diesem ›Etwas‹?«, fragte Sherlock.
Crowe lächelte. »Der römische Schriftsteller Marcus Terentius Varro schrieb einst: ›… dort brüten winzige Kreaturen, welche man mit bloßem Auge nicht sehen kann, die durch die Luft fliegen und über Mund oder Nase in den Körper eindringen und ernsthafte Erkrankungen hervorrufen.‹ Nicht gerade die Art klassischer Literatur, die du in der Schule lernst, schätze ich. Seit Jahrhunderten diskutieren die Menschen bereits über diese winzigen Kreaturen. Aber die Medizin scheint das einfach nicht ernst zu nehmen.«
»Aber
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