Young Sherlock Holmes 1
Nachricht also bekommen?«
»Bin von irgend so’m Kerl geweckt worden, der sie gebracht hat. Woher wussten Sie, wo mein Boot liegt?«
»Es ist mein Beruf zu wissen, wo sich alles befindet. Mein Beruf und auch mein Vergnügen. Hast du Lust auf eine Reise, Junge?«
»Hab keine Klamotten zum Wechseln, oder sonst was«, sagte Matty.
»Wir werden dir besorgen, was auch immer du brauchst, sobald wir in London sind. Jetzt lasst uns sehen, dass wir die Fahrkarten bekommen.«
Crowe kaufte vier Fahrkarten nach London für die Zweite Klasse und anschließend begab sich die kleine Gruppe auf den Bahnsteig hinab, während der Kutscher ihr Gepäck ablud. Crowe hatte alles perfekt geplant. Innerhalb von zehn Minuten traf der Zug ein: ein gewaltiges Monster von einer Maschine! Aus der riesigen röhrenförmigen Lok kam von irgendwoher unter lautem Zischen Dampf hervorgeschossen, die wuchtigen Kolben schwangen vor- und zurück wie bei einer Aufziehfigur, und die metallenen Räder, die fast so groß wie Sherlock waren, erzeugten auf den stählernen Schienen ein ohrenbetäubendes Kreischen.
»Eine von Joseph Beattie konstruierte Lokomotive der Saxon-Klasse«, bemerkte Amyus Crowe. »Allgemein als › 2 - 4 - 0 ‹ bezeichnet. Kannst du mir sagen, warum, Sherlock?«
»Warum Saxon-Klasse oder warum 2 - 4 - 0 ?«
Crowe nickte. »Richtig, das Sammeln von korrekten Informationen hängt in erster Linie von einer korrekten Fragestellung ab«, räumte er ein. »Ich meinte die 2 - 4 - 0 -Bezeichnung. Ich denke, das mit der Saxon-Klasse ist nur Ausdruck eines historischen Faibles, das der Ingenieur hat. Eine andere Maschine, die er entwickelte, hat er zum Beispiel ›Nelson‹ genannt.«
Sherlock ließ den Blick über die Lokomotive gleiten. Ihm fiel auf, dass die Räder nicht in gleichmäßigen Abständen, sondern in Gruppen angebracht waren.
»Ich würde sagen, das hängt damit zusammen, wie die Räder angeordnet sind«, probierte er sein Glück. »Aber das kann eigentlich nicht sein.«
»Doch, so ist es tatsächlich«, erwiderte Crowe.
»Die zwei an der Frontachse gelagerten Vorderräder sind frei beweglich und lassen sich seitlich einschlagen, so dass die Lokomotive auch um Kurven fahren kann. Dann folgen vier weitere Räder auf zwei Achsen, die direkt mit der Dampfmaschine verbunden sind. Das sind die Antriebsräder.«
»Und die Null?«, fragte Sherlock.
»Einige Lokomotiven haben hinten noch ein zusätzliches Radpaar als Antrieb«, erwiderte Crowe. »Die Null zeigt an, dass diese Lok dieses dritte Paar nicht hat.«
»Also hat es eine Nummer verpasst bekommen, um anzuzeigen, dass es eigentlich keine Nummer braucht, weil etwas gar nicht da ist«, stellte Sherlock fest.
»Korrekt«, sagte Crowe lächelnd. »Es mag vielleicht nicht sinnvoll sein, aber es ist absolut logisch, wenn man einmal das System akzeptiert, für das sie sich entschieden haben.«
Sie fanden ein Abteil für sich allein und machten es sich für die Reise bequem. Auf Sherlock, der noch nie zuvor mit der Eisenbahn gefahren war, stürzten jede Menge neue Eindrücke ein: das Vibrieren der Sitze, Wände und Fenster, als sie so dahinfuhren, der merkwürdig süßlich riechende Rauch, der zu ihnen hineinwehte, die Art, wie die Landschaft an ihnen vorbeiflog, ständig sich verändernd und doch auf seltsame Weise immer gleichbleibend. Matty saß mit weit aufgerissenen Augen nervös auf seinem Platz. Sherlock vermutete, dass sein Freund bisher in seinem Leben noch nicht einmal mit dem mageren Luxus eines Zweite-Klasse-Abteils Bekanntschaft gemacht hatte.
Wälder flogen vorbei und machten weiten Feldern Platz. Bei den Pflanzen, die dort wuchsen, handelte es sich weder um Mais noch um Weizen oder Gerste. Es waren braune, spindeldürre Gewächse mit kleinen grünen Blättern, die sich um etwa zwei Meter hohe Holzstangen rankten, die im Boden steckten. Sherlock wollte Crowe gerade fragen, um was es sich dabei handelte, als Matty, der Sherlocks Interesse bemerkt hatte, sich vorbeugte und einen Blick nach draußen warf.
»Hopfen«, sagte er lapidar. »Für die Brauereien. Die Gegend ist bekannt für das gute Bier, das hier gebraut wird. Allein in Farnham gibt es an die dreißig Pubs und Tavernen.«
Und so ging die Reise – lediglich unterbrochen von einem einmaligen Umsteigen in Guildford – weiter, bis sie Waterloo Station erreichten, den großen Endbahnhof in der geschäftigen Weltmetropole London.
Der Stadt, in der Mycroft Holmes lebte und
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