Young Sherlock Holmes 2
hören.
Sherlock schlüpfte in einen schmalen Gang, der zwischen zwei großen Maschinenteilen verlief – unregelmäßig geformten Massen aus schwarzem Eisen, die von einem Gewirr aus Rohrleitungen überzogen waren. Als er eine davon mit der Schulter streifte, zuckte er augenblicklich zurück. Sie war kochend heiß.
Der Gang endete vor einer mit Nieten überzogenen, nach außen gewölbten Metallfläche, die wahrscheinlich zu irgendeiner Art Druckbehälter gehörte.
Er war in einer Sackgasse gelandet. Es gab keinen Ausweg.
Doch die dunklen Schatten zwischen den Maschinenteilen verbargen ihn, und er versuchte, sich so klein wie möglich zu machen und keinen Mucks von sich zu geben.
Auf einmal meinte er wieder Schritte zu vernehmen, diesmal auf der Leiter. Kurz darauf hatte sein Verfolger offensichtlich den Boden erreicht.
»Junge«, hörte er Grivens plötzlich rufen. »Lass uns drüber reden. Tut mir leid, dass ich etwas überreagiert hab. Komm raus ans Licht, sei brav, und lass uns die Angelegenheit wie unter alten Freunden bequatschen. Eines Tages werden wir uns über die ganze Sache kaputtlachen. Das verspreche ich dir, ehrlich.«
Sherlock traute weder Grivens Worten noch dem Ton in seiner Stimme. Wenn er aus seinem Versteck herauskäme, würde Grivens ihn umbringen, da war er sich sicher.
»Also gut«, fuhr Grivens fort. »In Ordnung.« Es war schwer, ihn über das Klopfen und Dröhnen der Maschine hinweg zu verstehen. »Du hast Angst. Ich verstehe das. Du denkst, dass ich dir was antun werde. Na schön, dann reden wir doch mal über Geld. Man hat mich dafür bezahlt, dich umzubringen. Das weißt du ja schon. Aber ich bin ein praktisch denkender Mann. Ein Geschäftsmann, wenn du so willst. Ich bin sicher, der große Yankee kann die Summe, die mir die Kerle, die mich angeheuert haben, versprochen haben, mehr als ausgleichen. Lass uns beide, du und ich, zusammen zu ihm gehen und die Sache wie Männer von Welt regeln. Er kann mir einen Scheck ausstellen, und ich vergesse, dass ich euch Dreien jemals begegnet bin. Na, wie klingt das?«
Das klang wie ein Trick, aber Sherlock war nicht so dumm, das laut zu sagen. Stattdessen blieb er einfach stumm an seinem Platz. Irgendwo in der Nähe öffnete sich klackernd ein Ventil und ließ unter ohrenbetäubendem
Zsssss
eine Dampfwolke in den Raum entweichen.
»Junge? Bist du noch da?« Die Stimme klang diesmal näher, als hätte Grivens sich von der Stelle bewegt. Offensichtlich glaubte er selbst nicht ganz daran, dass seine beschwichtigenden Worte Sherlock veranlassen würden, aus seinem Versteck hervorzukommen. Er suchte nach ihm. »Ich weiß, dass wir einen schlechten Start hatten. Aber ich will es wiedergutmachen. Komm raus, und lass uns reden.«
Durch das Rohr, gegen das Sherlock die ganze Zeit über seinen Rücken presste, strömte offenbar heißer Dampf. Die enorme Hitze strömte durch Jacke und Hemd und verursachte bereits Brandblasen auf seinem Rücken. Er versuchte, weiter abzurücken, aber dabei lief er Gefahr, einen Teil seines Körpers dem Licht auszusetzen. Vorsichtig verlagerte er seinen Körper einige Millimeter nach vorn. Aber die Hitze war einfach unerträglich, und wenn er sich keine noch übleren Verbrennungen zuziehen wollte, musste er ganz vom Rohr abrücken. Dabei stieß er aus Versehen heftig mit dem Fuß gegen ein Leitungsrohr. Trotz des Maschinenlärms war das Geräusch so deutlich zu hören, dass Sherlock genauso gut eine Kirchenglocke hätte läuten können.
»So, so, du bist also
doch
hier.« Grivens’ Stimme klang, als wäre er nur noch ein paar Meter entfernt.
Ein Schatten fiel in die Öffnung des Ganges. In dem aschfahlen Licht, das von oben durch die Gitterroste an der Decke sickerte, konnte Sherlock die Silhouette von Grivens’ Kopf und Schultern ausmachen. Er hatte etwas in der Hand, das er – offensichtlich bereit zuzuschlagen – hoch über den Kopf erhoben hielt. Es sah aus wie ein Schraubenschlüssel, wie ein sehr großer Schraubenschlüssel.
Da wurde Sherlock auf einmal bewusst, dass sich Grivens hier unten, tief in den Eingeweiden des Schiffes, nicht einmal mehr den Kopf darüber würde zerbrechen müssen, wie er Sherlocks Körper unbemerkt aufs Deck hinaufbefördern und über Bord werfen könnte. Er konnte seine Leiche einfach ins Kohlenfeuer werfen, damit sie verbrannte. Alles, was er zu tun hatte, war, die Heizer mit ein paar Schillingen zu bestechen, damit sie kurz wegschauten, und Sherlock würde sich in Staub und
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