Young Sherlock Holmes 2
gewichen. Die flackernden Öllampen gaben nur noch ein schummeriges gelbes Licht von sich, und der Boden war nicht mehr mit weichen Teppichen bedeckt, sondern bestand aus blankem Holz.
In der Ferne waren rasche Schritte zu hören. Grivens war ihm anscheinend immer noch auf den Fersen. Sherlock setzte sich wieder in Bewegung.
Das Wummern der Schiffsmaschinen war jetzt ganz nah. Es kam ihm vor wie das Klopfen eines riesigen mechanischen Herzens. Die Luft war hier unten merklich wärmer und außerdem feucht und drückend. Sherlock war inzwischen ziemlich am Schwitzen.
Nachdem er um eine weitere Ecke geflitzt war, fand er sich schließlich unversehens vor einer Tür wieder. Er blickte kurz über die Schulter zurück, aber umzukehren hatte keinen Sinn. Er konnte nur weiter.
Er öffnete die Tür und ging hindurch.
Geradewegs in die Hölle.
9
Die Hitze, die Sherlock ins Gesicht schlug, warf ihn fast um. Es war so heiß, als würde man an der offenen Luke eines riesigen Backofens vorbeigehen. Sherlock spürte, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken kringelten und wie ihm der Schweiß in Strömen ausbrach. Die Luft war so heiß und drückend, dass es ihm schwerfiel, richtig durchzuatmen.
Die Tür ging auf einen schmiedeeisernen Balkon hinaus, der sich über einem höhlenartigen Raum voller Maschinen befand: ein Inferno aus Kolben, Rädern und Wellen, die sich alle in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Richtungen bewegten – auf und nieder, hin und her oder rings im Kreis herum. Er war im Maschinenraum der
Scotia
. Von hier aus wurden die riesigen Schaufelräder an den beiden Schiffsseiten angetrieben. Irgendwo in der Nähe musste sich auch ein separater Heizraum befinden, in dem Seeleute Kohle in einen gigantischen Heizkessel schaufelten. Über dem Heizkessel befand sich wahrscheinlich ein Boiler, in dem das erhitzte Wasser zu Dampf verdunstete. Der Dampf wurde dann durch Rohre in diesen Raum befördert. Hier wandelten Kolben, Dichtungen und Räder den Dampfdruck in eine Rotationsbewegung um, die schließlich über riesige Antriebswellen auf die Schaufelräder übertragen wurde. Wenn es hier drinnen schon so heiß wie in der Hölle war, dann musste der Aufenthalt im Heizraum sogar noch schlimmer sein, als in einem Vulkan zu arbeiten. Wie konnten Menschen so etwas nur aushalten?
Der Lärm war schlichtweg ohrenbetäubend: ein fortwährendes Dröhnen, Zischen und Klopfen, das Sherlocks Kopf fast zum Platzen brachte.
Die Vibrationen waren nicht nur durch das Metall des Türrahmens zu spüren, an dem sich seine Hand festklammerte, sondern wurden auch durch die Luft selbst übertragen. Es fühlte sich an, als ob ihm jemand ständig gegen die Brust stieß. Unter diesen Bedingungen war jeder Versuch irgendeiner Unterhaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Männer, die hier arbeiteten, mussten sich durch Zeichensprache miteinander verständigen, und taub zu werden gehörte wahrscheinlich zum Berufsrisiko.
Schmutzige Öllaternen an den Wänden sorgten für spärliche Beleuchtung. Darüber hinaus sickerten durch Lüftungsgitter an der Decke klägliche Mengen Licht aus der Welt da oben herab, die allerdings rasch von der rauchig-dunstigen und staubigen Atmosphäre in der Halle verschluckt wurden. Wohin Sherlock auch blickte, überall waren große Bereiche der Halle in tiefe schwarze Schatten gehüllt. Allerdings strömte durch die Gitter an der Decke auch etwas Luft herein, die einem, wenn man sich darunter stellte, sicherlich eine hochwillkommene Abkühlung bescherte. In den wenigen Lichtstrahlen wirkten der durch die Luft wirbelnde Kohlestaub und der Wasserdampf wie ruhelose Geister, die nicht wussten, wohin sie sich in diesem Höllenszenario wenden sollten.
Sherlock blickte sich rasch um und versuchte herauszufinden, wohin
er
gehen sollte. Der Maschinenraum schien mehrere Etagen des Schiffes einzunehmen. Entlang der Wände verliefen Laufstege. Auf verschiedenen Etagen gab es darüber hinaus auch Verbindungen, die von einer Seite des Raumes zur gegenüberliegenden führten. Mit Hilfe von gusseisernen Leitern gelangte man von unten hinauf zu den Laufstegen. Massive Eisenträger, die den Raum durchzogen, verliehen diesem nicht nur Stabilität, sondern dienten den diversen Rohrleitungen und Rädern darüber hinaus als Montagebasis. Alles schien so entworfen worden zu sein, dass jede Leitung, jeder Kolben und jedes Rad mit dem Schraubenschlüssel zu erreichen war, für den Fall, dass etwas
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