Young Sherlock Holmes 2
wertvollen Frachtgütern – im Zug befinden.« Er blickte zu John Wilkes Booth hinüber, der das Glas Saft vor sich anstarrte, als ob darin die Geheimnisse des Universums verborgen lägen. »Mr Booth hier ist eines davon. Ich habe schon einige Zeit darauf gewartet, dass er in dieses einst so glorreiche Land zurückkehrt. Ich habe nämlich so meine Pläne mit ihm. Auch ein weiteres Frachtgut ist bereits ausgeladen und lernt gerade seine neue Umgebung kennen.« Er richtete den Blick auf die Box, die Berle auf dem Schoß hielt. »Und vermutlich enthält diese Box das letzte noch fehlende Exemplar für meine Sammlung. Habe ich recht, Dr. Berle?«
Berle nickte und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »So ist es, Duke. Möchten Sie …«
»Noch nicht, Doktor. Ich habe so lange auf diese ganz besondere Sendung gewartet, dass ich den Moment der Vorfreude noch etwas auskosten möchte.« Er hielt kurz inne und blickte sich am Tisch um. »Allerdings stelle ich fest, dass die werten Herren Ives und Gilfillan nicht anwesend sind«, fuhr er mit sanfter Stimme fort. »Wo sind sie?«
Sherlock hatte nun zwei Möglichkeiten: Entweder überließ er es Berle, Balthassar zu eröffnen, dass Gilfillan inhaftiert und Ives tot war, oder er übernahm selbst die Initiative und gab es direkt zu. »Mr Gilfillan sitzt in England im Gefängnis«, verkündete er. »Und Mr Ives habe ich gerade eben umgebracht, indem ich ihn vom Zug gestoßen habe.« Er starrte auf die beiden Augenlöcher in Duke Balthassars Maske. »Oh, und ich habe einen Steward auf der
SS Scotia
beseitigt, der von Mr Ives dafür bezahlt worden war, uns zu töten.«
Am Tisch wurde es so still, dass nur noch die rasselnden Atemzüge der Pumas zu hören waren, die Sherlock aufmerksam beobachteten. Irgendwie schienen sie zu spüren, dass sich gerade ein stummes Duell zwischen ihm und Duke Balthassar abspielte.
»Wie überaus unternehmungslustig Sie doch sind«, sagte Balthassar schließlich. »Warum genau haben Sie sie umgebracht?«
»Vielleicht um Ihren anderen Dienern ein Beispiel vor Augen zu führen«, gab Sherlock gleichmütig von sich. »Um ihnen beizubringen, mich zu fürchten.«
Balthassar stieß ein Lachen aus: ein klarer, hoher Ton, der die Pumas zusammenzucken und von ihrem Herren abrücken ließ. »Wie
überaus
unternehmungslustig«, sagte er. »Ich glaube, ich mag Sie, Master Sherlock Scott Holmes. Nicht genug, um Sie am Leben zu lassen, aber ich mag Sie wirklich!«
»Wollen Sie ihm nicht endlich eine Lektion erteilen?«, meldete sich der vierschrötige Rubinek zu Wort.
»Warum sollte ich?«, fragte Balthassar. »Nein, wenn meine Diener so dämlich waren, sich von einem Kind besiegen zu lassen, bin ich froh, dass ich sie los bin. Dadurch haben sie mir die Mühe erspart, mich selbst um sie kümmern zu müssen. Nein, der junge Master Sherlock und seine Freunde hier werden den Sonnenuntergang deswegen nicht mehr erleben, weil ich einfach keine Verwendung für sie habe.«
Stille senkte sich über die Veranda.
»Also«, fuhr Balthassar nach einem Augenblick mit leiser Stimme fort. »Jetzt, da wir uns einander vorgestellt haben und Sie, meine werten Gäste, es sich mit ein paar Erfrischungen gemütlich gemacht haben, seien Sie doch so gut und erzählen uns, wie viel die Behörden von meinen Plänen wissen.«
»Wir wissen gar nichts«, antwortete Sherlock.
»Da irrst du dich aber in zweierlei Hinsicht«, widersprach Balthassar energisch, dessen höfliches Gehabe allmählich Risse zu bekommen schien. »Erstens weißt du offensichtlich zumindest
etwas
, da du es fertiggebracht hast, dich in meine Pläne einzumischen und zwei meiner Gefolgsleute umzubringen. Kinder stolpern eigentlich für gewöhnlich nicht einfach so in eine derart große Sache hinein, und wenn doch, verkrümeln sie sich schnellstens wieder. Du hast, wenn ich es richtig verstanden habe, bereits in England unsere Wege gekreuzt, in dem Haus, wo wir Mr Booth, nun ja … sicher verwahrten. Dort jedenfalls haben dich Mr Ives und Dr. Berle zum ersten Mal gesehen. Die Frage ist nur, warum du überhaupt dort gewesen bist. War es tatsächlich Zufall, oder warst du nicht eher auf der Suche nach Mr Booth?«
Sherlock öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber Balthassar bedeutete ihm mit einer Geste zu schweigen.
»Und zweitens«, fuhr er in dem gleichen ruhigen Tonfall fort, »spielt es überhaupt keine Rolle, was
du
weißt. Das interessiert mich nicht im Geringsten. Ihr seid alle
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