Young Sherlock Holmes 2
in meiner Gewalt, und niemand wird entkommen. Innerhalb der nächsten paar Stunden werdet ihr alle sterben, und euer Wissen wird mit euch begraben werden. So viel kann ich versprechen. Nein, die einzig wichtige Frage ist doch, was der Vater des Mädchens, dieser Amyus Crowe, und die englischen und hiesigen Behörden wissen, oder?« Er hielt inne und wandte Sherlock die Porzellanmaske zu. »Sag’s mir, und sag’s auf der Stelle, bevor ich meine Geduld verliere.«
Trotz der heißen Sonne, die vom wolkenlosen blauen Himmel herabbrannte, meinte Sherlock, einen kalten Hauch über die Veranda wehen zu spüren.
»Wenn Sie uns sowieso umbringen«, antwortete Sherlock bedächtig, »warum sollten wir ihnen dann überhaupt irgendetwas erzählen? Es würde uns ja eh nicht retten. Das haben Sie bereits deutlich gemacht.«
»Das ist ein Argument, Kompliment«, räumte Balthassar ein. »Dieses Land ist auf den Gesetzen von Handel und Verhandlungen gegründet. Also schön, lass mich dir ein Angebot unterbreiten.«
Er wandte die Porzellanmaske Virginia zu. »Bitte, sei so nett, und streck die Hand aus«, forderte er sie auf.
Mit vor Panik geweiteten Augen blickte Virginia Sherlock an. Doch er wusste auch nicht, wie sie sich verhalten sollte: Balthassar gehorchen oder seine Aufforderung ignorieren? Sherlock konnte einfach nicht sagen, was für Folgen die jeweilige Reaktion haben würde. Denn ungeachtet seines freundlichen äußeren Gebarens schien Duke Balthassar sich auf einem äußerst schmalen Grat zwischen Höflichkeit und Wahnsinn zu bewegen.
»Wie ermüdend«, seufzte Balthassar. »Mr Rubinek?«
Rubinek beugte sich von seinem Stuhl aus zu Virginia hinüber. Er packte sie am Handgelenk und hielt ihren Arm zur Seite ausgestreckt, so dass ihre Hand auf Balthassar zeigte.
»Hervorragend«, sagte Balthassar. Dann gab er in der gleichen fremden Sprache, mit der er vorher schon mit den Tieren gesprochen hatte, ein paar guttural klingende Worte von sich.
Einer der Pumas erhob sich und trottete langsam auf Virginia zu. Deutlich zeichneten sich bei jedem Schritt die mächtigen, sich geschmeidig bewegenden Muskelpartien unter dem Fell ab. Virginia erstarrte und hielt den Atem an.
Der Puma riss den Rachen auf und reckte den Hals so weit vor, dass Virginias Hand auf einmal in seinem Maul war. Dann ließ Rubinek los und machte es sich wieder auf seinem Stuhl bequem. Die große Katze hatte das Maul jetzt so weit geschlossen, dass sich ihre Zähne leicht in Virginias Handgelenk bohrten.
»Eines von zwei Dingen wird jetzt passieren«, sagte Balthassar im Plauderton. »Entweder du erzählst mir, was ich wissen will, oder mein Puma beißt dem Mädchen die Hand ab.« Die Porzellanmaske blieb ausdruckslos, doch Sherlock konnte förmlich spüren, wie sich unter ihrer glatten Oberfläche das Gesicht des Mannes zu einem Grinsen verzog. »Sein Name lautet übrigens Sherman. Der andere heißt Grant. Sozusagen ein kleiner Scherz, den ich mir erlaubt habe.«
Virginias Augen waren starr auf Sherlock gerichtet.
»Ich sag’s Ihnen«, platzte es aus Matty heraus.
»Nein«, widersprach Balthassar mit sanfter Stimme. »Ich möchte es von Master Sherlock hören. Ich habe durchaus mitbekommen, dass er der Anführer dieser kleinen Gruppe hier ist. Er ist derjenige, der lernen muss, mich zu fürchten. Er ist es, der
erzogen
werden muss.« Er schwieg einen Moment. »Wisst ihr, es gibt verschiedene Arten zu sterben. Eine Kugel in den Kopf zu bekommen geht rasch und schmerzlos, denke ich. Zu verbluten ist ein langsamer und qualvoller Tod. Ihr habt nicht die Wahl, ob ihr nun sterbt oder am Leben bleibt; diese Entscheidung habe ich euch bereits abgenommen. Allerdings habt ihr durchaus die Wahl,
wie
ihr sterben werdet: schnell oder langsam, qualvoll oder in Frieden.«
»Na schön«, sagte Sherlock, dem das Herz bis zum Hals klopfte. »Rufen Sie den Puma weg, und ich werde Ihre Frage beantworten.«
»Nein«, widersprach Balthassar. »Beantworte die Frage, und ich werde den Puma wegrufen.«
Die Spannung in der Luft war buchstäblich mit Händen zu greifen. Sherlock war sich durchaus dessen bewusst, dass Balthassar und er gerade gegenseitig ihre Willensstärke auf die Probe stellten. Das Problem war nur, dass Balthassar sämtliche Trümpfe in den Händen hielt.
»Die Behören wissen über John Wilkes Booth Bescheid«, begann Sherlock. »Sie wissen, dass er damals nicht gestorben ist. Dass er von Japan nach England gebracht wurde und sich nun hier in
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