Young Sherlock Holmes 3

hielt inne. »Tja, ich muss immer noch wissen, warum du mir gefolgt bist«, sagte er mit finsterer Stimme. »Bevor du dann stirbst.«
    Hinter ihm kam plötzlich eine massige Gestalt aus der Lücke zwischen Lokomotive und Tender geglitten. Sie trug einen Hut und näherte sich Sherlocks Gegenüber mit leisen fließenden Bewegungen.
    Sherlock erkannte Amyus Crowe erst in dem Moment, als er den Arm um den Hals des Mannes schlang und ihn mit der freien Hand am rechten Handgelenk packte. Der Hals des Schlägers war nun in Crowes Armbeuge eingeklemmt, und Sherlock konnte sehen, wie sich der Stoff von Crowes Ärmel wölbte, als er seine Muskeln anspannte.
    Die Augen des Mannes traten hervor. Er brachte die freie Hand hoch, um seinen Gegner am Arm zu packen. Doch so sehr er auch zog und zerrte, Crowes Arm bewegte sich nicht einen Millimeter von der Stelle. Während Sherlock – zu erschöpft, um überrascht zu sein – starr die Szene verfolgte, verfärbte sich das Gesicht von Crowes Opfer violett. Offensichtlich drückte Crowe mit solcher Kraft zu, dass dem Mann die Luft wegblieb.
    Verzweifelt trat er mit seinem rechten Stiefel nach hinten aus. Aber Crowe hatte sich mit gespreizten Beinen hinter sein Opfer gestellt, und so trat sein Gefangener ins Leere. Als Nächstes nahm er die Hand von Crowes Arm und schlug nach hinten aus, in der Hoffnung, Crowe mit seinem Schlagring im Gesicht zu erwischen. Aber der wich einfach mit dem Kopf zur Seite aus und verstärkte noch einmal den Druck auf den Hals seines Gegners.
    »Deine Unvorsichtigkeit ist ziemlich enttäuschend. Denn offensichtlich war sie so gravierend, dass der hier mitbekommen hat, dass du ihn verfolgst«, sagte Crowe mit sanfter Stimme und blickte Sherlock über die Schulter des Mannes hinweg an.
    Sherlock fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich dachte, ich hätte mich unauffällig genug verhalten.«
    »Besser, du schreibst dir folgende Lektion hinter die Ohren«, erwiderte Crowe freundlich. »Hinterhalte lassen sich umkehren. Das ist der Unterschied zwischen Tieren und Menschen – Hasen drehen sich nicht auf einmal um und jagen Füchse. Aber Menschen können die Rollen wechseln. Das Opfer kann zum Jäger werden. Halte immer nach verdächtigen Anzeichen Ausschau. Wenn dein Zielobjekt dich zu einem einsamen Ort führt, dann vielleicht nur, weil es dich entdeckt hat und dich ungestört erledigen will.«
    »Hören Sie denn nie mit dem Unterrichten auf?«, fragte Sherlock müde und dachte an die Angellektion auf dem See.
    »Das Leben erteilt uns permanent Lektionen, wenn wir aufmerksam genug sind, sie zu verstehen.« Crowes Blick glitt kurz zur Seite, um das Gesicht seines Gegners zu mustern, das immer stärker angeschwollen war und aus dem die Augen schier hervorzuquellen schienen.
    »Und nun«, sprach er im Plauderton, »unterhalten wir zwei Hübschen uns doch mal ein wenig. Warum drohen Sie meinem Freund und Schützling hier Gewalt an? Das ist kein sehr zivilisiertes Verhalten, mein Lieber.«
    »Er ist mir gefolgt«, krächzte der Mann.
    Crowe blickte zu Sherlock hinüber und hob die Augenbrauen. »Ich vermute, dass du einen Grund dafür hattest«, sagte er. »Du wolltest wohl nicht einfach nur deine Beschattungstechnik trainieren, oder? Auch wenn die ganz offensichtlich etwas Training nötig hätte.«
    »Ich habe den Drucker aufgetrieben, der die Visitenkarte gemacht hat«, erklärte Sherlock. »Der sagte, dass dieser Kerl da draußen auf der Straße auf den Mann gewartet hat, der die Karte drucken ließ. Und danach sind sie zusammen weggegangen.«
    Crowe nickte. »So was Ähnliches habe ich mir doch gedacht.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Gefangenen zu. »Was uns also zu der Frage nach dem
Warum
führt. Warum haben Sie für einen armen kranken Mann den Druck einer einzelnen Karte bezahlt? Und warum haben Sie ihn dann zu Mister Mycroft Holmes in dessen Club geschickt?«
    Der Mann zerrte an Crowes Arm. »Sie erwürgen mich noch!«, protestierte er.
    »Fein beobachtet. Ich bin in der Tat dabei, das zu tun.«
    »Sie brechen mir das Genick!«
    »Noch nicht. Ein bisschen mehr Druck und Ihr Hals bricht wie ein trockener Zweig, ja. Aber jetzt noch nicht. Zuerst werden Sie ersticken.«
    »Sie bringen mich um!«
    »Ja«, bestätigte Crowe. »Ich glaube, das tue ich tatsächlich. Besser, Sie fangen an zu reden.«
    »Ich wurde bezahlt!«
    »Natürlich wurden Sie das. Ich habe auch nicht angenommen, dass Sie es aus Liebe zur