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Young Sherlock Holmes 3

Young Sherlock Holmes 3

Titel: Young Sherlock Holmes 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Lane
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starrte er einige Sekunden lang auf die Kisten und versuchte herauszufinden, worum es sich dabei handeln mochte. Dann begriff er. In Wirklichkeit hatte er es schon in dem Moment gewusst, als er sie gesehen hatte. Doch sein Gehirn hatte die entsetzliche Wahrheit nicht akzeptieren wollen.
    Es waren Särge.
    »Wo sind wir hier?«, keuchte er.
    »Da, wo sie die Leichen lagern. Solange, bis sie zur Nekrops gebracht werden.«
    »Zur
Nekrops
?« Das Wort hatte er zuvor noch nie gehört.
    »Ja. Der Ort, wohin man die Toten bringt, weißt du?«
    Sherlocks Gedanken rasten. »Du meinst einen Friedhof?« Und dann kapierte er. »Du meinst eine
Necropolis
.« Das Altgriechisch, das er auf der Deepdene Schule gelernt hatte, kam langsam wieder: eine Necropolis, eine Stadt der Toten.
    »Ja. Da unten in Brookwood. Wo die Züge sie hinbringen.«
    Brookwood? Das war in der Nähe von Farnham, wo sein Onkel und seine Tante wohnten. Wo er gerade lebte. Und dann erinnerte er sich an etwas, das Matty einmal gesagt hatte. Dass er nämlich keinen Ausflug nach Brookwood machen wollte. Damals hatte er nicht gesagt, warum, und Sherlock hatte die Sache nicht weiter verfolgt. Aber jetzt wusste er es. Ganz offensichtlich gab es eine Art Riesenfriedhof in Brookwood: einen Ort, wohin man aus weiter Entfernung Leichen transportierte.
    »Warum begräbt man sie nicht in London?«, fragte er.
    »Kein Platz«, erwiderte sein Retter knapp. »Die Friedhöfe hier sind alle voll. Die verscharren die Leichen schon übereinander. Ein ordentliches Unwetter und die Särge werden freigespült, so dass alle sie sehen können.«
    Sherlock ließ den Blick über die Stapel von Särgen schweifen und bemerkte, dass alle an der Seite mit einer Kreidenummer versehen waren. Vermutlich korrespondierten die Zahlen mit Einträgen auf irgendeiner Liste, die jemand angelegt hatte, damit ein bestimmter Sarg einem bestimmten Begräbnis zugeordnet werden konnte.
    »Und die da sind alle … äh, belegt?«
    Der Junge nickte. »Jeder einzelne.« Er zögerte. »Tolle Sache für uns«, fügte er dann hinzu.
    »Wie meinst du das?«
    »Manchmal kommt es vor, dass Särge runterkrachen. Und zerdeppern. Und manchmal werden die Leute mit ihrem Besitz beerdigt: mit Uhren, Ringen und all so Zeug. Und dann sind da ja auch noch die Klamotten. Einige Leute zahlen ganz gut für ’ne nette Jacke. Spielt keine Rolle, wer die vorher getragen hat.«
    Sherlock spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Das hier war eine völlig andere Welt, und zwar eine, in die er nicht gehören wollte. Doch er konnte nicht anders, als weiter zu fragen. Er musste es einfach wissen. »Wie kommen sie dann nach Brookwood?«
    »Per Spezialbahn.« Der Junge deutete in die Ferne. »Die Nekrops-Eisenbahn. Die Gleise beginnen da hinten.«
    »Die betreiben extra Züge für die Toten?«
    »Und für die Hinterbliebenen.« Der Junge lächelte und entblößte einen Mund mit einem einzigen noch verbliebenen verfaulten Zahn. »Erste, zweite und dritte Klasse-Fahrten bloß für Särge. Selbst wenn de hin bist, kannste noch stilvoll reisen.«
    Mit ausholender Handbewegung wies er um sich. »Ist schon gut, dass die Leute nicht mitkriegen, wie man sich hier um ihre Lieben kümmert, bevor man sie in den Zug verfrachtet, was?«
    Noch einmal blickte Sherlock sich um. Er musterte die engen Reihen von Särgen, die jeweils bis über Kopfhöhe aufeinandergestapelt waren. Und jeder barg eine Leiche in sich. Er stand mitten unter so vielen Toten, dass man damit eine Kleinstadt hätte bevölkern können. Gruselig.
    »Na schön«, sagte Sherlock und holte tief Luft. »Lass uns weitergehen.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Ab hier musst du allein klarkommen.«
    »In Ordnung.« Sherlock händigte ihm die Faust voll Wechselgeld aus. »Danke.«
    Der Junge nickte. »Bist echt ein Gentleman.« Er trat ein paar Schritte zurück, hob die Finger an die Lippen und stieß einen so lauten Pfiff aus, dass Sherlock die Ohren klingelten. »Er is hier!«, schrie er aus Leibeskräften. »Er haut ab!«
    »Ich dachte, du würdest mir helfen«, protestierte Sherlock.
    »Hab ich ja.« Der Junge wedelte mit der Faust herum, in der er die Münzen hielt. »Der Deal ist abgeschlossen. Und jetzt helfe ich denen. Vielleicht lassen die mir ja deine Schuhe.«
    Plötzlich vernahm Sherlock Geräusche in dem Spalt, aus dem sie ins Freie gekommen waren – ein quietschendes Scharren von langen Finger- und Zehennägeln, die über Ziegelsteine schrammten. Als er in die Dunkelheit

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