Yvonne Lindsay
brauchte seinen Daddy so sehr wie nie zuvor, aber Matt wirkte merkwürdig abwesend, wenn er mit dem Kind zusammen war. Rachel schnitt es ins Herz, wenn sie die beiden beobachtete, aber sie wusste nicht, was sie tun sollte. Dass Blake neuerdings Mummy zu ihr sagte, wenn sie ihn vom Kindergarten abholte, hatte sie alarmiert. So hatte sie schließlich ihren ganzen Mut zusammengenommen und Matt auf dieses Thema angesprochen. Sicher, er hatte in den letzten Monaten viel durchmachen müssen, aber schließlich war er für den kleinen Jungen verantwortlich, und dieser Verantwortung durfte er sich nicht entziehen. Nur er konnte dem Kind die Stabilität geben, die Blake so dringend brauchte.
„Du kannst nicht gehen. Ich brauche dich.“ Seine Stimme klang hart und angestrengt, als sei er kurz davor, die Nerven zu verlieren.
„Wir wissen doch beide, dass das nicht stimmt“, sagte sie leise. Wie oft war ihr in letzter Zeit aufgefallen, dass er es offenbar kaum aushalten konnte, mit ihr in einem Raum zu sein. Ich brauche dich. Nach diesen Worten hatte sie sich seit zehn Jahren gesehnt. Und jetzt sprach er sie aus, wenn er sie auch in einem ganz anderen Sinn gebrauchte, als sie sich gewünscht hätte. „Ich habe sogar den Eindruck, dass du dich deinem Sohn immer mehr entfremdet hast, seit ich hier bin.“
Seit dem Ball vor zehn Jahren war er ihr aus dem Weg gegangen, wahrscheinlich aus irgendeinem falschen Ehrgefühl heraus. So als habe er damals die Situation ausgenutzt und sie zu etwas gezwungen, was sie eigentlich nicht wollte. Dabei war doch das krasse Gegenteil der Fall. Sie war immer schon in ihn verknallt gewesen und hatte gehofft, dass Sex sie einander näherbringen, nicht aber auf ewig voneinander trennen würde. Diese Distanz machte die jetzige Situation unerträglich, und das zu einer Zeit, in der der kleine Blake klare Verhältnisse und Stabilität brauchte.
Mit seinen dunkelgrauen Augen musterte Matt sie kalt. „Ich muss ein Unternehmen führen und kann deshalb nicht jeden Tag zu Hause sein. Aber du bist doch Nanny von Beruf, oder irre ich mich da? Deshalb habe ich dich angestellt, als Marise nach Australien ging.“
„Aber doch nur, weil du keine andere Möglichkeit hattest. Du solltest wenigstens zu dir selbst ehrlich sein, wenn du es mir gegenüber schon nicht sein kannst. Wenn ich nicht die einzige Nanny gewesen wäre, die so kurz vor Weihnachten verfügbar war, hättest du mich doch nie angestellt. Schon damals habe ich dir gesagt, dass ich nur für eine gewisse Zeit einspringen kann. Ich habe Verpflichtungen in England.“ Da ihr die Hände vor Erregung zitterten, steckte sie sie schnell in die Taschen ihrer Jeans. Um Blakes willen durfte sie nicht nachgeben und keine Schwäche zeigen.
„Verpflichtungen? Vielleicht einen Freund, der langsam ungeduldig wird?“
„Das geht dich zwar nichts an, aber nein. Auf mich wartet kein Freund.“
„Ich zahle dir das Doppelte, wenn du wenigstens so lange bleibst, bis deine Mutter zurückkommt.“
„Aber Matt!“ Am liebsten hätte Rachel vor lauter Frust mit dem Fuß aufgestampft. „Mit Geld ist dieses Problem nicht zu lösen. Dein Sohn braucht dich.“
„Ich weiß genau, was mein Sohn braucht, und werde mich schon darum kümmern, dass er es auch bekommt. Wie ist es, bist du bereit zu bleiben?“
Sie saß in der Falle. Unmöglich konnte sie den süßen kleinen Jungen da oben im Stich lassen. Zu sehr war er ihr bereits ans Herz gewachsen. Außerdem war er Matt Hammonds Sohn, der Sohn ihrer großen Liebe, für den sie alles tun würde.
„Okay, ich bleibe. Aber eins sage ich dir gleich: Sowie Mum aus Wanganui zurückkommt, kehre ich nach England zurück.“
Mit einem knappen Kopfnicken entließ er sie. „Wenn es nichts anderes zu besprechen gibt, dann bis morgen.“
Rachel wandte sich um. Nur weg von hier!, schoss es ihr durch den Kopf. Es war so schwer, seine Nähe zu ertragen. Doch dann hielt er sie an der Schulter zurück. Ihr Atem stockte, als sie seine warme Hand spürte.
„Rachel?“
„Ja?“
„Danke.“
Mit großen Augen starrte sie ihn an. Dieser maskuline Mund mit der vollen Unterlippe … die müden schönen Augen … das kantige Gesicht mit den blonden Bartstoppeln, wodurch er noch erschöpfter aussah, als er sicher war … Wie gut konnte Rachel sich vorstellen, welche Anstrengung es ihn kostete, sein Leben irgendwie zu bewältigen. Was er in den letzten Monaten hatte durchmachen müssen, hatte sie hautnah mitbekommen.
Da sie nicht
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