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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Pilcher«, machte Angela Fontana Jake mit ihrem
    Mandanten bekannt. »Und das ist sein Vater Larry Pilcher.«
    Jake nickte dem blassen Mann zu, dessen Augen von schweren
    Tränensäcken förmlich nach unten gezogen wurden. Waren die
    Tränensäcke auch schon dort gewesen, bevor sein Sohn ein
    fünfzehnjähriges Mädchen vergewaltigt hatte?, fragte Jake sich und versuchte , nicht an Kim zu denken oder wie er sich fühlen würde , wenn sie je das Opfer von solchem Abschaum würde , oder daran , wie sehr sie ihn dafür verachten würde , dass er diesen Fall übernahm.
    »Mein Job ist es nicht , für Gerechtigkeit zu sorgen«, hatte er ihr an dem Tag erklärt, als sie ihm im Gericht zugesehen hatte. »Mein Job ist es, das Spiel nach den Spielregeln zu spielen.« Nur dass Jake sich in letzter Zeit nicht mehr sicher war, was die Spielregeln waren.
    »Jake –«, sagte Keith Peacock.
    »Verzeihung, wie bitte?«
    »Ich hatte Ihnen gerade Lyle Hansen, Mikes Vater, vorgestellt.«
    »Tut mir Leid«, sagte Jake und nickte einer glatzköpfigen Bulldogge von einem Mann zu, der sich, die muskulösen Arme verschränkt, auf
    seinem Stuhl vorbeugte. »Ich denke, wir sollten anfangen.« Alle Augen wandten sich ihm zu. Zeig uns, wie brillant du bist, schrien ihn diese Augen unisono an. Zeig uns, wie man drei schuldige , uneinsichtige Vergewaltiger herauspaukt. Gib uns eine Strategie und weise uns den Weg. Es spielt keine Rolle , dass das Mädchen, das sie vergewaltigt haben, genauso alt ist wie deine Tochter oder dass deine Tochter dich für diesen Job ganz besonders hassen wird. Sie wird dich sowieso hassen , nachdem du ihre Mutter enttäuscht hast. Nachdem du dein Versprechen und
    Matties Herz gebrochen hast. Aber welchen Unterschied machte das
    schon? Jake lachte in sich hinein. Sie hasst dich sowieso.
    »Gibt es irgendwas, was Sie amüsiert, Herr Anwalt?«, wollte Tom
    Maclean wissen.
    Jake räusperte sich. »Tut mir Leid. Ich habe gerade an etwas gedacht.«
    »Wollen Sie Ihre Gedanken vielleicht mit uns teilen?«
    »Eigentlich nicht, nein.« Jake wandte sich an Angela Fontana. »Angela, wie wird der Fall Ihrer Meinung nach ablaufen?«
    »Ich denke, die Sache ist ziemlich eindeutig – das Wort eines
    Mädchens mit fragwürdigem Ruf gegen das Wort von drei aufrechten
    jungen Männern mit einem Stammbaum, der bis zur Mayflower
    zurückreicht. Ich dachte, Sie würden vielleicht das Eröffnungs- und Abschlussplädoyer halten, ich könnte mich um die Aussagen der
    Polizeibeamten und Ärzte kümmern, Keith übernimmt das Kreuzverhör
    des Sachverständigen, und das Mädchen könnten wir uns dann
    abwechselnd vornehmen.«
    »Ungefähr so, wie die Jungen es vorgemacht haben«, sagte Jake.
    »Was haben Sie gesagt?«, wollte Thomas Maclean wissen.
    »Nur ein bisschen Galgenhumor.« Jake sah, wie Angela erstaunt die
    Augen aufriss, während das Lächeln auf Keith Peacocks Gesicht
    schlagartig erstarb.
    »Ich fürchte, ich kann weder Ihre Bemerkung noch die Situation
    amüsant finden.«
    Was für ein wichtigtuerischer, selbstgerechter Drecksack, dachte Jake.
    Das arme Mädchen war Thomas Maclean scheißegal. Selbst sein Sohn
    war ihm scheißegal, außer dass das Verhalten des Filius seinen kostbaren Ruf zu beschädigen drohte. Nein, der einzige Mensch, für den Thomas
    Maclean sich wirklich interessierte, war er selbst. Kommt dir das
    irgendwie bekannt vor, Jake?
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht einige Termine verabreden« , sagte Keith Peacock.
    Ruth Kertzer hat angerufen, hörte Jake Mattie sagen. S ie wollte einige Termine mit mir abklären.
    Termine? Wofür?
    »Ich habe in der kommenden Woche den Montag- und den
    Mittwochnachmittag frei« , sagte Angela Fontana nach einem Blick in ihren Terminkalender.
    »Am Montag habe ich keine Zeit« , sagte Lyle Hansen.
    Willst du mir erzählen, was eigentlich los ist, Jake?, fragte Mattie.
    Das Ganze ist ein bisschen kompliziert. Können wir vielleicht darüber reden, wenn ich nach Hause komme?
    Aber was gab es da zu reden? Er hatte seine Entscheidung getroffen.
    Er konnte nicht nach Paris fliegen. Nicht jetzt. Nicht, nachdem Frank Richardson ihm unmissverständlich klargemacht hatte, dass er durch
    diese Reise seine Partnerschaft in der Kanzlei aufs Spiel setzen würde, von seiner gesamten Karriere ganz zu schweigen. Er konnte es nicht tun.
    Und Mattie hatte kein Recht, das von ihm zu verlangen.
    Und sie hatte es ja auch gar nicht verlangt. Er hatte sich freiwillig gemeldet , hatte praktisch

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