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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Händen Jakes private Büronummer ein.
    »Mattie, was ist los?«, sagte Jake, ohne Hallo zu sagen. In seiner Stimme lag eine Spur seiner alten Ungeduld. Oder bildete sie sich das nur ein. Wahrscheinlich hatte sie ihn bei etwas Wichtigem gestört.
    »Ich hatte gerade einen ziemlich irritierenden Anruf«, kam sie gleich zur Sache.
    »Was für einen Anruf? Von Lisa?«
    »Nein, nichts dergleichen.«
    »Ist irgendwas mit Kim? Oder ein Irrer? Oder was?«
    »Ruth Kertzer hat angerufen.«
    Schweigen am anderen Ende.
    »Ruth Kertzer aus Tony Grahams Büro«, stellte Mattie klar, obwohl
    das andauernde Schweigen deutlich machte, dass er genau wusste, um
    wen es sich handelte. Die Stille wurde so schwer und dicht, dass Mattie glaubte nach ihr greifen zu können.
    »Was wollte sie?«, fragte er schließlich.
    »Sie wollte einige Termine mit mir abklären.«
    »Termine? Wofür?«
    Er klang ehrlich verwirrt. War es möglich, dass er es doch nicht
    wusste? Dass das Ganze in der Tat ein Missverständnis war? Dass Ruth Kertzer ihre Termine oder Anwälte durcheinander gebracht hatte?
    »Offenbar findet im April in der Stadt irgendein großer Kongress
    statt«, begann Mattie und bereitete sich darauf vor, mit ihrem Mann über die Unfähigkeit der Sekretärin zu lachen. Doch noch als sie die Worte aussprach, spürte Mattie förmlich, wie ihr Mann aschfahl wurde, und wusste, dass Ruth Kertzer weder ihre Termine noch ihre Anwälte
    durcheinander gebracht hatte. »Wie ich höre, sind wir Gastgeber eines Abendessens«, sagte sie leise und hielt den Atem an.
    »Das ist alles noch gar nicht entschieden«, kam die unbefriedigende
    Antwort.
    »Da ist Ruth Kertzer offenbar anderer Ansicht. Willst du mir
    erzählen, was eigentlich los ist, Jake?«
    »Pass auf, Mattie, das Ganze ist ein bisschen kompliziert. Können wir vielleicht darüber reden, wenn ich nach Hause komme?«
    »Sie hat gesagt, du würdest einen Vortrag halten.«
    Schweigen. »Man hat mich angesprochen«, sagte er schließlich.
    »Und du hast zugesagt?«
    Jake räusperte sich. »Es würde nicht bedeuten , dass wir unsere Reise absagen, wir würden sie nur für ein paar Wochen verschieben. Mattie, bitte, ich komme schon zu spät zu einem Termin. Können wir darüber
    reden, wenn ich nach Hause komme? Ich verspreche dir, dass sich das alles regeln lässt.«
    Mattie biss fest auf ihre Unterlippe. »Sicher« , sagte sie. »Wir reden, wenn du nach Hause kommst.« Sie wartete, bis die Leitung tot war,
    bevor sie den Hörer auf die Gabel knallte und entsetzt zusah, wie das Plastik zerbarst und in Scherben zu Boden fiel. »Zum Teufel mit dir, du elender Mistkerl! Ich verschiebe unsere Reise nicht. Nicht für ein paar Wochen. Nicht einmal für ein paar Tage. Ich fliege wie geplant nach Paris, ob du mitkommst oder nicht. Hast du verstanden?« Und dann
    brach Mattie in bittere , wütende Tränen aus. »Wie kannst du mir das antun?« , schluchzte sie und spürte , wie ihre Brust sich verkrampfte , sodass ihr Atem in kurzen, abgerissenen , schmerzhaften Stößen kam. Es ist nicht so , dass du keine Luft kriegst , erinnerte sie sich. Deine Brustmuskeln werden nur schwächer , was zu Kurzatmigkeit führt , die wiederum Panik auslöst. Aber dir geht es gut. Alles in Ordnung. »Ganz ruhig bleiben« , keuchte sie , während ihr Blick durch die Küche schoss und hektisch von diversen Oberflächen abprallte wie eine Flipperkugel.
    Mattie dachte an das Fläschchen mit Morphium im Badezimmer im
    ersten Stock. Eine kleine Fünf-Milligramm-Tablette würde ausreichen , ihren Angstzustand zu lösen , die Panik unter Kontrolle zu bekommen und ihre innere Ruhe wiederzufinden.
    Zwanzig Tabletten würden ausreichen, damit sie ganz aufhörte zu
    atmen.
    Worauf wartete sie noch? Paris. Das war doch ein Witz. »Wem
    versuche ich etwas vorzumachen?«, fragte sie laut und mit
    schweißnassem Gesicht , als ihr Atem wieder normal ging. Wie sollte sie allein irgendwohin fahren? Das Ganze war eine alberne Phantasie
    gewesen, ein Spiel von so tun als ob, das zu weit gegangen war. Jake hatte zweifelsohne nur mitgemacht, weil er angenommen hatte, dass sie inzwischen schon zu schwach oder behindert sein würde, um überhaupt
    daran zu denken , den Plan tatsächlich umzusetzen. Wie hatte sie sich zu dem Glauben verleiten lassen können, dass er je die Absicht gehabt
    hatte, sein Versprechen zu halten? Er hatte ein eigenes Leben, um das er sich kümmern musste, eine Freundin, eine Karriere, seine beschissenen Dinnerpartys und

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