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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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blickte auf und sah, wie ein muskulöser junger Mann, auf dessen Rucksack eine amerikanische Flagge genäht war, sich von seinem Sitz erhob.
    »Alles in Ordnung –«, sagte Jake. »Mattie –«
    »Sieht so aus, als wollte die Dame nicht mit Ihnen sprechen« , sagte der junge Mann.
    »Hören Sie , das geht Sie gar nichts an.« Jake versperrte Mattie weiter den Weg.
    »Ist das nicht Jake Hart, der Anwalt?«, fragte eine Frau. »Ich habe sein Bild vor einer Weile auf dem Cover des Chi c ag o-Magazins gesehen.«
    »Wirklich?«, fragte ihre Begleiterin.
    »Ich bin mir ganz sicher. Die Frau in dem Rollstuhl hat ihn Jake
    genannt.«
    »Die Frau ist meine Ehefrau«, fauchte Jake, fuhr wütend herum und
    sah, wie diverse auf ihren Flug nach Chicago wartenden Reisende tiefer in ihre Sitze rutschten. »Und es ist sehr wichtig, dass ich mit ihr rede.«
    »Fahr zurück zum Hotel, Jake«, rief Mattie. »Deine Freundin wartet
    auf dich.«
    »O je«, sagte jemand.
    »Bitte, Mattie, es ist nicht so, wie du denkst.«
    »Versuche nicht, mir zu erzählen , dass das nicht Honey Novak war« , sagte Mattie. »Wage es nicht , meine Intelligenz derart zu beleidigen.«
    »Das will ich ja gar nicht bestreiten.«
    »Und was könntest du dann sagen , was mich interessieren sollte?«
    »Ich hatte keine Ahnung , dass sie in Paris ist« , begann Jake, und die Wahrheit klang fadenscheiniger als jede Ausrede, die er sich hätte
    ausdenken können. Seit wann war die Wahrheit eine Verteidigung?,
    erkannte er. Hatte er in seiner jahrelangen Praxis als Anwalt denn gar nichts gelernt? »Bitte, glaub mir, Mattie. Ich hatte mich von ihr getrennt.
    Ich hatte sie seit Monaten nicht mehr gesehen.«
    »Und woher wusste sie dann von unserer Reise? Woher wusste sie, in
    welchem Hotel wir wohnen würden?«
    »Sie ist im Büro vorbeigekommen –«
    »Du hast doch gesagt, du hättest sie seit Monaten nicht gesehen.«
    Jake sah sich hilflos in dem großen Wartebereich um und kam sich
    vor wie ein zögerlicher Zeuge vor Gericht. »Nur für ein paar Minuten.
    Sie ist unangekündigt vorbeigekommen.«
    »Das tut sie offenbar gern.«
    »Ich hatte keine Ahnung , dass sie in Paris ist , bis ich sie in unserem Hotelzimmer gesehen habe.«
    Mattie schüttelte den Kopf, und bittere Tränen fielen. »Du konntest wohl nicht warten, was? Du konntest so eine romantische Reise nach
    Paris nicht vergeuden , wie? Jedenfalls nicht allein an deine kränkliche Frau.«
    »Das ist nicht wahr , Mattie. Du weißt , dass das nicht wahr ist.«
    »Was ist los , Jake?« , brach es aus Mattie hervor. »Brauche ich zu lange zum Sterben?«
    Einige der Zuschauer stöhnten unwillkürlich auf.
    »Mattie –«
    »Weißt du, was komisch ist?«, fuhr Mattie fort. »Ich mag sie. Ich mag sie tatsächlich. Herzlichen Glückwunsch. Was Frauen betrifft , hat Jake Hart einen exquisiten Geschmack.«
    »Ich hab dir ja gesagt , dass er es ist«, flüsterte irgendjemand vernehmlich.
    »Geh zu ihr zurück, Jake«, sagte Mattie , und ihre Empörung wich sanfter Resignation. »Sie liebt dich.«
    »Aber ich liebe sie nicht«, erwiderte er schlicht. »Dann bist du ein Idiot.«
    »Das ist weiß Gott wahr«, stimmte Jake ihr zu.
    Einen Moment lang sah es so aus, als würde Mattie sich erweichen
    lassen , als würde sie ihm doch glauben. Doch dann verschleierte sich ihr Blick mit neuer Entschlossenheit, und sie versuchte abermals, aus dem beengten Raum zu entkommen, obwohl ihre Hände hilflos an ihrem
    Rollstuhl herabhingen. »Nun fahr schon, verdammt.«
    Instinktiv streckte Jake die Hand aus, um ihr zu helfen.
    »Geh weg, Jake«, schrie sie. »Geh weg! Ich brauche dich nicht.«
    »Vielleicht brauchst du mich nicht, aber ich brauche dich, verdammt
    noch mal!«, rief Jake und überraschte damit am meisten sich selbst. »Ich liebe dich, Mattie« , hörte er sich sagen. »Ich liebe dich.«
    »Nein« , antwortete Mattie. »Bitte sag das nicht.«
    »Ich liebe dich« , wiederholte Jake und sank vor ihrem Rollstuhl auf die Knie.
    »Steh auf , Jake. Bitte. Du musst mir nichts mehr vormachen.«
    »Ich mache dir nichts vor. Ich liebe dich, Mattie. Bitte glaub mir. Ich liebe dich. Ich liebe dich.«
    Lange Zeit sagte niemand etwas. Es schien , als ob alle den Atem angehalten hätten. Jake jedenfalls hatte förmlich das Gefühl zu ersticken und erkannte, dass er ohne sie nicht atmen konnte. Was würde er
    machen , wenn sie ihn jetzt verließ?
    »Ich liebe dich«, wiederholte er und sah Mattie in die Augen, bis ihr Bild hinter Tränen

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