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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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die andere
    langsam vorn ihren Pullover hinuntergleiten ließ. Gab es etwas, das
    köstlicher war als dieses Gefühl?, fragte sie sich, während ihr ganzer Körper vibrierte.
    Aber das war gar kein inneres Vibrieren. Die Vibrationen kamen von
    irgendwo außerhalb ihres Körpers.
    »Ach, du lieber Gott!«, rief sie und schlug mit der Hand auf die
    Tasche ihrer Jeans. »Das ist mein Piepser.«
    »Lass ihn doch«, sagte Teddy und versuchte , sie wieder in seine Arme zu ziehen.
    »Das kann ich nicht. Ich bin so ein zwanghafter Mensch. Ich muss
    wissen , wer es ist.« Kim zog den Piepser aus der Tasche, drückte den Knopf, um zu sehen, wer sie anpiepste. Die Nummer, die im Display
    aufleuchtete, war ihr unbekannt, aber was die darauf folgende Nummer 911 bedeutete, war klar: ein Notfall. »Es ist was passiert«, sagte sie. »Ich muss sofort zu einem Telefon.«
    6

    »O Gott, holen Sie mich hier raus. Holen Sie mich hier raus!«
    »Versuchen Sie, ruhig zu bleiben, Mattie. Sie müssen still halten. Das ist ganz wichtig.«
    »Holen Sie mich hier raus. Ich krieg keine Luft. Ich krieg keine Luft.«
    »Sie atmen sehr gut, Mattie. Bleiben Sie einfach ruhig. Ich hole Sie jetzt heraus.«
    Mattie spürte , wie der schmale Tisch , auf dem sie lag , sich in Bewegung setzte und sie mit den Füßen voran aus dem entsetzlichen
    MRT-Gerät hinausbeförderte. Sie schnappte gierig nach Luft, aber es war, als stünde jemand mit unglaublich spitzen Absätzen auf ihrer Brust.
    Die Absätze bohrten sich durch das dünne blaue Krankenhaushemd,
    durchdrangen ihr Fleisch, durchstachen ihre Lunge und machten jeden auch noch so flachen Atemzug zu einer Qual.
    »Sie können die Augen jetzt wieder aufmachen , Mattie.«
    Mattie öffnete die Augen. Sie war den Tränen nahe. »Entschuldigen
    Sie« , sagte sie zu der Röntgenassistentin , einer kleinen, dunklen und beunruhigend jungen Person. »Ich glaube, ich schaffe das nicht.«
    »Ja, es ist ziemlich unangenehm«, stimmte die junge Frau zu und
    tätschelte behutsam Matties bläulich verfärbten Unterarm. »Aber der Arzt möchte dringend die Ergebnisse haben.«
    »Hat jemand meinen Mann angerufen?«
    »Ich glaube, man hat ihn benachrichtigt, ja.«
    »Und Lisa Katzman?« Mattie richtete sich auf und stützte sich auf ihre Ellbogen , wobei sie versehentlich die Kissen verschob, die man ihr zu beiden Seiten des Kopfes gelegt hatte. Ein Schmerz wie von tausend winzigen Dolchen schoss durch alle ihre Gelenke. Es gab keinen Teil an ihr, der schmerzfrei war. Dieser verdammte Airbag hätte mich beinahe umgebracht, dachte Mattie und griff sich an ihren schmerzenden
    Unterkiefer.
    »Dr. Katzman erwartet Sie, wenn wir hier fertig sind.« Die
    Röntgenassistentin , die ihrem Namensschildchen zufolge Noreen Aliwallia hieß , schob mit einem kleinen Lächeln die Kissen wieder auf ihren Platz.
    »Und wie lange wird das dauern?«
    »Ungefähr fünfundvierzig Minuten.«
    »Fünfundvierzig Minuten!«
    »Ich weiß, das hört sich an wie eine lange Zeit –«
    »Es ist eine lange Zeit. Haben Sie eine Ahnung, wie man sich in diesem Monstrum fühlt? Wie lebendig begraben!« Warum mache ich
    dem armen Ding das Leben schwer?, fragte sich Mattie , die sich nur nach der vertrauten Stimme ihrer Freundin Lisa sehnte, dieser Stimme der Vernunft und Gelassenheit, die es schon in ihrer Kindheit stets
    verstanden hatte, sie zu beruhigen.
    »Sie hatten einen ziemlich schweren Autounfall«, erklärte Noreen
    Aliwallia geduldig. »Sie waren bewusstlos. Sie haben eine
    Gehirnerschütterung. Wir brauchen die Aufnahmen , um ganz sicher zu gehen , dass keine versteckten Hämatome vorhanden sind.«
    Mattie nickte , während sie sich zu erinnern suchte , was genau die Abkürzung MRT bedeutete. Irgendwas mit Magnetresonanz oder so ,
    was immer das auch hieß. Ein hochgestochenes Wort für
    Röntgenaufnahmen. Der Neurologe hatte es ihr bereits erklärt , als sie in der Notaufnahme wieder zu Bewusstsein gekommen war , aber da hatte sie kaum auf seine Worte geachtet. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen zu begreifen, was eigentlich geschehen war. Ihr dröhnte der Kopf, in ihrem Mund hatte sie den Geschmack von geronnenem Blut , und es bereitete ihr Schwierigkeiten , sich zu erinnern, was passiert war.
    Alles tat ihr weh, obwohl wundersamerweise nichts gebrochen war, wie man ihr versicherte.
    Dann wurde sie unversehens ins Souterrain dieses Krankenhauses
    gerollt – sie hatten ihr gesagt , welches es war , aber sie hatte es schon wieder

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