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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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schon bis zum Letzten gegangen. Sie hörte sie immer
    darüber kichern und gackern, wenn sie in den Schultoiletten bei den Kondomautomaten rumhingen. Die Jungs hassten Kondome, pflegten
    sie sich zu beschweren, darum machten sie es meistens ohne, besonders wenn sie es schon ein paar Mal getan hatten und wussten , dass der Typ in Ordnung war.
    »Du solltest es mal versuchen, Kimbo«, hatte eines der Mädchen sie
    geneckt und ein Päckchen Kondome nach ihr geworfen.
    »Ja, genau«, stimmten die anderen Mädchen ein und bombardierten
    sie ebenfalls mit Kondomen. »Versuch’s doch mal! Es macht dir
    bestimmt Spaß!«
    Wirklich, fragte sich Kim, die wieder Teddys Hand an ihrer Brust
    fühlte.
    Dieser Busen, dachte sie beinahe mit Ehrfurcht, den Blick auf die
    Rundungen ihrer längst nicht mehr kindlichen Brüste gerichtet, die sich mit jedem ihrer Atemzüge hoben und senkten. Im letzten Jahr um diese Zeit hatte sie null Busen gehabt, und ungefähr sechs Monate später war er plötzlich da gewesen. Ganz ohne Vorwarnung, praktisch über Nacht.
    Von einem Tag auf den anderen hatte sie von einem A-Körbchen auf ein C-Körbchen umsteigen müssen, und alle hatten sie auf einmal mit ganz anderen Augen angesehen.
    Kim erinnerte sich, wie die Jungs gejohlt und gepfiffen hatten, als sie im letzten Frühjahr das erste Mal mit ihrem neuen weißen Gap T-Shirt in die Schule gekommen war. Wie neidisch die anderen Mädchen sie
    angesehen und wie die Lehrer sie beäugt hatten. Über Nacht hatte sich alles verändert. Sie war plötzlich allseits beliebt , Gegenstand von Mutmaßungen und Klatsch. Jeder , so schien es , hatte eine Meinung über dieses neue Mädchen – sie war »eine Schlampe«, »ein Eiszapfen«, sie war
    »eine, die einen nur aufgeilt und dann nichts rausrückt«. Als hätte ihr Busen ihr ganzes früheres Selbst verdrängt und wäre jetzt allein
    verantwortlich für ihr Verhalten. Kim entdeckte zu ihrer Überraschung, dass Meinungen von ihr nicht mehr verlangt wurden. Es reichte, dass sie einen Busen hatte. Ja, ihre Lehrer schienen erstaunt, dass sie überhaupt fähig war, einen logischen Gedanken zu fassen.
    Selbst das Verhalten ihrer Eltern ihr gegenüber veränderte sich mit dieser plötzlichen und unerwarteten Entwicklung. Ihre Mutter
    betrachtete sie mit einer Mischung aus ungläubiger Verwunderung und
    Besorgnis, und ihr Vater schaute sie überhaupt nicht mehr an. Wenn sich Blickkontakt gar nicht vermeiden ließ, fixierte er so krampfhaft ihr Gesicht, dass sie jedes Mal meinte, ihn würde gleich der Schlag treffen.
    Ihr Telefon läutete auf einmal Tag und Nacht. Mädchen, die nie auch
    nur einen Blick an sie verschwendet hatten, wollten plötzlich mit ihr befreundet sein. Jungs, die in der Schule nie ein Wort mit ihr gewechselt hatten, riefen nach dem Unterricht bei ihr an, weil sie was mir ihr unternehmen wollten: Gerry McDougal, Kapitän der Football
    Mannschaft, Marty Peshkin, Klassensprecher, Teddy Cranston mit den schokoladenbraunen Samtaugen.
    Kim musste wieder an ihr letztes Zusammensein mit Teddy denken,
    an seine zarten Küsse, an die Berührung seiner Hand, die so leicht, als wäre es ungewollt, ein Zufall, ihre Brust gestreift hatte. Aber natürlich war es nicht ungewollt gewesen.
    »Nicht«, hatte sie leise gesagt, und er hatte so getan, als hätte er sie nicht gehört. Daraufhin hatte sie es noch einmal gesagt , lauter diesmal , und da hatte er endlich auf sie gehört. Trotzdem hatte er es später noch einmal versucht, und sie hatte es von neuem sagen müssen. »Nicht«,
    sagte sie und dachte dabei an ihre Mutter. »Bitte nicht.«
    »Lass dir Zeit«, hatte ihre Mutter bei einem ihrer Gespräche über
    Jungs und Sex geraten. »Du brauchst es überhaupt nicht eilig zu haben.
    Du hast dein ganzes Leben vor dir. Und Unfälle können trotz aller
    Verhütungsmaßnahmen der Welt passieren.« Sie war ein wenig errötet
    bei diesen Worten.
    »So wie ich?«, fragte Kim, die sich längst ausgerechnet hatte, dass ein Kind, das bei der Geburt vier Kilo gewogen hatte, wohl kaum drei
    Monate zu früh gekommen war.
    »Der schönste Unfall, der mir je passiert ist.« Ihre Mutter war sensibel genug, ihre Intelligenz nicht mit einem Versuch zu beleidigen, das
    Offenkundige zu leugnen. Sie nahm Kim in die Arme und gab ihr einen
    Kuss auf die Stirn.
    »Hättet ihr beide, du und Daddy, sowieso geheiratet?«, bohrte Kim weiter.
    »Auf jeden Fall«, versicherte ihre Mutter, die Kim die Antwort gab, die diese hören

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